Bibelkommentar zu Lukas 3, 15 - 16. 21 - 22
Ein wilder Mann muss dieser Johannes der Täufer gewesen sein. Er lebte in der Wüste von Heuschrecken und wildem Honig. Er predigte Gericht und drohte mit Verdammnis, er forderte die Menschen zur Umkehr und reinigenden Taufe auf.
8. April 2017, 21:58
Viele erkannten in ihm einen Propheten, und „zogen in Scharen“ zu ihm, heißt es. Vielleicht ein wenig so, wie man heute zu einem Guru pilgert, zu einem Weisen, einem spirituellen Lehrer. Man erwartet sich davon Zeichen für das eigene Leben, Hilfestellung, Heilung, Glück...
Warum ist Jesus aus Galiläa aufgebrochen und kommt zu Johannes? Sucht er hier nach seiner Berufung, nach Orientierung? Wir wissen es nicht. Dass er ein Suchender ist, zeigt sein Kommen und auch sein Beten. In der Verbindung mit Gott sucht er Antworten. Jesus fiel nicht als der Messias fertig vom Himmel, auch er musste seinen Weg erst finden. Johannes und die Taufe am Jordan stehen am Anfang dieses Weges, als Wegweiser sozusagen.
Es war eine unruhige Zeit in Israel damals, verschiedene religiöse und politische Gruppierungen hatten sich gebildet, Aufstände waren von den Römern blutig niedergeschlagen worden, eine apokalyptisch-endzeitliche Stimmung schien zu herrschen. Die Menschen waren „voll Erwartung“, heißt es, voll Hoffnung auf einen Retter und Befreier. Aber dieser Jesus erfüllt ihre Erwartungen auf einen glorreichen Messias, einen königlich auftretenden Retter nicht. Ganz still und heimlich mischt er sich unter das Volk, stellt sich in die Reihe derer, die zu Johannes kommen um sich taufen zu lassen, und wartet geduldig, bis er dran ist. Solidarisch mit ihnen - den Sündern - ist Jesus bereit, seinen Weg mit den Menschen zu gehen. Menschen mit ihren unterschiedlichen Erwartungen und Hoffnungen.
So, als ob er sagen will: Ich bin einer von euch, ich kenne euch. Ich kenne auch eure Hoffnungen, eure Grenzen, eure Abgründe und eure ganz persönlichen Anliegen. Als ob er sagen wollte: Ja, ich weiß um eure Gebrechlichkeit. Ich weiß um das Leid, das oft unaussprechlich und unverschuldet ist, sei es durch Unterdrückung, Ungerechtigkeit oder durch Katastrophen so gekommen. Ja, ich weiß, wie ihr alle unterwegs seid und Ausschau haltet, nach Gesundheit, Heilung, Frieden, Freude und Glück. Jesus reiht sich ein unter diese Menschen. Es ist Gott offenbar ernst damit, ganz Mensch zu sein.
Die wahrscheinliche Taufstelle im heutigen Westjordanland ist seit 2011 wieder öffentlich zugänglich. Der Fluss ist an dieser Stelle rund 4 - 5m breit, das Ufer ist schlammig und schilfbewachsen. Das braune Wasser erscheint wenig einladend. Wer die paar Stufen hinuntersteigt, steht gleich bis zur Brust im trüben Wasser. Und dann hieß es damals noch ganz untertauchen, wie es auch in den nachchristlichen Jahrhunderten bei der Taufe noch lange üblich war. Nicht von ungefähr haben die Kirchenväter die Taufe mit dem Eintauchen in die Sünde, ja mit dem Abstieg zur Hölle verglichen. Wenn das Wasser über deinem Kopf zusammenschlägt, ist das eine menschliche Erfahrung, die nicht ohne ist. Ein Abstieg in eine andere Welt sozusagen, ein Eintauchen in die eigene Schuld, in Leid, Schmerz, Angst, … all die menschlichen Abgründe, in denen wir manchmal zu ertrinken drohen. Jesus taucht ganz in diese menschlichen Erfahrungen ein… und erlebt seine Gottesbegegnung. Die grenzüberschreitende Selbsterfahrung führt zur Gotteserfahrung.
Als Jesus nach der Taufe aus dem Jordan heraufsteigt, da bricht der Himmel auf und eine Stimme spricht: „Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Gefallen“. Dieser Einbruch des Himmels in sein Sehen und Hören, in sein ganzes Leben, ist zugleich der Durchbruch zu einem neuen Selbstbewusstsein, das ihn in der Folgezeit trägt und leitet. Geliebt zu werden ist eine tiefe menschliche Urerfahrung. Hier erfährt Jesus sich als der von Gott geliebte Sohn und damit zugleich seine Bestimmung: Er wird diese Liebesbotschaft hinaustragen zu den Menschen. Wie auch immer diese Epiphanie - diese Gotteserscheinung - genau ausgesehen haben mag, sie muss für ihn ein Schlüsselerlebnis gewesen sein. Denn nun ist er bereit, in die Welt hinauszugehen und seine Sendung zu leben. Hier erhält er den Geist Gottes, die Kraft dafür, seinen Weg bis zum Ende zu gehen. Es ist der Anfang seines öffentlichen Auftretens, seiner Berufung als Rabbi, als Lehrer, als Verkünder seiner Botschaft.
Manchmal genügt es im Leben schon zu wissen, dass man angenommen und geliebt ist; dann kann man auch offen sein für andere. Dieses Urvertrauen und das Selbstbewusstsein gehören zusammen. Nicht immer aber ist es so einfach, seinen Weg zu finden. Vor allem nach Misserfolgen, Krisenerfahrungen, Leid oder Tod nahestehender Menschen scheint nichts mehr so klar zu sein. Um herauszufinden, wie es weitergehen soll, wieder Kraft zu schöpfen, den Blick zu weiten, braucht es solche Aufbrüche, solche Wegweiser und Erfahrungen der Unterbrechung des Alltäglichen, wie damals am Jordan.
An den Kreuzungen meines Lebens wünsche ich mir auch so einen Johannes den Täufer als Wegweiser, so wie sich das Untertauchen in den Wassern des Jordan für Jesus als wegweisend erweist. Durch ihn, der sich solidarisch mitten unter die schicksalsbeladenen Menschen stellt, bin ich mit hinein genommen in seine Erfahrung. Die Taufe am Jordan ist ein Schlüsselereignis der Liebesgeschichte Gottes mit dem Menschen. "Du bist mein geliebter Sohn, meine geliebte Tochter", diese Zusage gilt jedem Menschen. Sie wird nicht verdient, sondern ist geschenkt. Damit einher geht die Gabe des göttlichen Geistes, die dem Menschen Kraft gibt, die ihn führen und leiten will, seinen Weg zu finden und zu gehen. Vorausgesetzt, er bricht auf, um diesen Geist zu suchen, er schafft ihm in seinem Herzen Raum und ist bereit, auf seine Stimme zu hören.