Roman von Thomas Sautner

Der Glücksmacher

Wenn die Glücksforschung boomt, die Ratgeber sich in den Buchhandlungen stapeln und das Fach "Glück" sogar an Schulen unterrichtet wird, dann wird das Streben danach zum neuen Stressfaktor. Thomas Sautner schickt seinen Protagonisten ebenfalls auf die Suche.

Sebastian Dimsch ist Angestellter einer großen Versicherungsgesellschaft. Statt sich vom sinnlosen Arbeitsalltag zermürben zu lassen, beginnt er eines Tages in seinem Büro mit der heimlichen Lektüre der großen Philosophen: Er will herausfinden, wie ein Mensch glücklich werden kann.

Von der Chefetage in den Keller

Seinen Vorgesetzten ist Dimsch ein Dorn im Auge. Man beschließt, seine Kompetenzen zu beschneiden und verfrachtet ihn vom prestigeträchtigen Büro in der Chefetage in ein kleines Abstellkämmerchen zwei Stockwerke tiefer. Was ihm vor wenigen Wochen noch quälende Selbstzweifel und schlaflose Nächte bereitet hätte, kommt ihm nun gerade recht. Hier kann er sich vollkommen ungestört seinen Studien widmen.

Er tauscht seinen Anzug gegen Jeans und Norwegerpulli und stellt die Büroarbeit bald ganz ein. Doch sein Scheitern ist vorprogrammiert: Angesichts so widersprüchlicher Glücksverheißungen von Konfuzius, Kant und Co. verzweifelt er zunehmend - eine Entwicklung, die auch der Autor selbst durchlaufen musste: "Alles, was ich bisher noch nicht am Lesespeiseplan hatte, hab ich nachgeholt, und die Verzweiflung von Dimsch und mir ist ziemlich simultan verlaufen."

Ein weiser Spruch für jede Gelegenheit

Dimsch wird zum wandelnden Zitate-Lexikon und dadurch bei seinen Kollegen immer beliebter. Für jede erdenkliche Lebenslage hat er die passende Weisheit parat. Seine Chefs hingegen beobachten weiterhin misstrauisch sein Treiben und überlegen, wie sie den Sonderling unauffällig loswerden könnten. Die Chefs, das sind Irene Großburg, die ihre Emails mit jeweils mindestens fünf Rufzeichen im Betreff versieht, und Rainer Torberg, der Leiter der Marketing und PR-Abteilung.

"Ja der ist so wie aus dem Bilderbuch ein klassischer Karrieremensch", sagt Thomas Sautner. "Und der nimmt aber auch eine ganz nette menschliche Wendung im Buch, also man lernt ihn dann besser kennen und dass auch hinter dieser harten Maske ein Mensch steckt. Sas ist so ein kleines Geheimnis des Glücks, zumindest hab's ich so erfahren, dass jeder Mensch egal, wie hart er nach außen erscheinen mag, doch auch liebenswerte Momente in sich trägt, und die herauszukitzeln macht dann letztlich beiden meistens Vergnügen."

Die Glücksversicherung

Als eine Mitarbeiterumfrage ergibt, dass Dimsch der beliebteste Kollege sei, ja sogar die soziale Stütze des Unternehmens, platzt Irene Großburg der Kragen. Sie stellt ihn vor eine absurde, schier unlösbare Aufgabe: Er soll eine Glücksversicherung entwerfen. Entgegen aller Erwartungen gelingt es Dimsch, ein Konzept vorzulegen. Der Marketingprofi Torberg macht sich sogleich an die Bewerbung der Jahrhundert-Innovation.

Eine interne Task Force überarbeitet das Konzept. Was danach übrigbleibt, hat mit Dimschs ursprünglicher Idee nur wenig zu tun. Je nach Profil wird den Kunden schließlich ein Mix aus Coaching, Meditation, Psychopharmaka und philosophischen Weisheiten angeboten, Rabatte für Schönheitsoperationen inklusive. Besonders deprimierte Versicherte können sich einer computergenerierten Gehirnzellenstimulation unterziehen.

Verstellung als Leben

Die Versicherung wird ein Riesenerfolg, sogar das Gesundheitsministerium unterstützt die Aktion. Dimsch kann nun wieder nicht gekündigt werden. Als Erfinder dieses Sensationsproduktes, darf er nun sogar an einem Führungskräfte-Seminar teilnehmen. Dort wird gelehrt, dass man durch geschickte Manipulation selbst aus scheinbaren Win-Win-Situationen als der eigentliche Gewinner hervorgehen kann.

"Ich hatte die lustvolle Erfahrung, bei einem dieser Management-Seminare dabei zu sein", erzählt Sautner, "und der Clou war wirklich so wie im Buch beschrieben der, dass sozusagen die Verstellung zugunsten des wirtschaftlichen Erfolgs tatsächlich gelehrt wurde. Und der Höhepunkt so beschrieben wurde, dass die Verstellung so automatisiert wird, dass sie zum eigentlichen Leben wird. Was wie ein Spaß klingt, war aber ernst gemeint und das findet man dann auch im Buch so wieder."

Mäusezeichen lesen und interpretieren

Anhand treffsicherer Darstellungen von Situationen wie dieser gelingt es Sautner das gewinnorientierte, menschenverachtende Wirtschaftsverständnis mancher Unternehmen auf höchst amüsante Weise zu karikieren. In einer Gesellschaft, in der sogar Schönheit und Sicherheit käuflich erwerblich sind, kann man wohl auch vom Glück profitieren, so die Idee des Autors.

Zu den tatsächlich glücklichen Figuren im Buch zählen der Koreaner Peng, ein einfacher Hausbote, und eine Maus, die Dimsch immer wieder in seinem Büro besucht und ihm Rätsel aufgibt. "Die Maus ist vielleicht meine Lieblingsfigur in dem ganzen Roman", sagt Sautner. "Tiere ermöglichen es einfach Dinge auszudrücken, die Menschen für gewöhnlich nicht auszudrücken vermögen. Sie hinterlässt ja Dimsch nicht Morsespuren, aber Mäusespuren auf seinem Schreibtisch, die er dann akribisch versucht zu dechiffrieren. Seine Kollegin kommt herein und fragt ihn, was da los ist und er ist so über die Mäusezeichen - wie er sie nennt - gebeugt, und so kommen die beiden ins Gespräch, ein philosophisches Gespräch, das es ohne diese Maus nie gegeben hätte. Also auch ein kleiner Glücksmoment dank einer Skurrilität."

Glücksmomente

In einem aberwitzigen Finale kehren sich schließlich die Machtverhältnisse und der Leser bleibt mit der Erkenntnis zurück: Zum Glück gehört mit Sicherheit eine gehörige Portion Humor.

"Wenn man einen der großen Weisen nimmt, den Dalai Lama, der hat bei seinem letzten Aufenthalt in Europa befragt nach seinem Glücksrezept gemeint: Viel schlafen und gut essen", so Sautner. "Also da sieht man, auch er geht das Ganze mit Humor an und das ist vermutlich der klügste Weg."

Mit "Der Glücksmacher" liefert Thomas Sautner eine leicht zu lesende, unterhaltsame Satire aus der Angestelltenwelt. Und wenn die Lektüre einem vereinzelt auch Glücksmomente beschert, dann - so der Autor - habe er sein Ziel erreicht:

"Ich bin schon ein paarmal gefragt worden: So, und was ist jetzt Glück? Wie kann man's erreichen, ohne dass ich das Buch lesen muss? Also jetzt gegen mein Buch gerichtet, aber im Prinzip würde ich sagen, Glück ist, es zu erkennen. Und Dimsch erkennt im Laufe des Buchs und damit seines Lebens, dass das einer der Hauptlösungsansätze ist."

Service

Thomas Sautner, "Der Glücksmacher, Aufbau Verlag

Aufbau Verlag - Der Glücksmacher