Klappe, Licht, Auftritt: The Commons

Im Jahr 1990, kurz nach dem Fall der Berliner Mauer, veröffentlichte ein finnischer Informatikstudent ein Stück Software, die er "nur so" - zum Spaß - geschrieben hatte. Es handelte sich dabei um eine schlanke Version des Betriebssystems Unix, das er seinem Vornamen entsprechend "Linux" nannte.

Linus Torvalds, mehr oder weniger alleine in einer Einzimmerwohnung ein Stück Geschichte schreibend, wurde zur Urszene des kreativen Individuums in der digitalen Informationswirtschaft. Was er "just for fun" kreierte, lieferte das Grundmodell "Freier Software", die zum Rückgrat des Internet geworden ist.

Dem Siegeszug der "Freien Software" ist zu verdanken, dass auch die Idee des Commons verstärkt in den Blick genommen wurde. Commons (dtsch. Allmende) sind Ressourcen, die als Gemeingüter genutzt werden. Die Verleihung des Nobel-Preises für Wirtschaftswissenschaften an die Ökonomin Elinor Ostrom im Jahr 2009 unterstreicht die wachsende Bedeutung der Commons in der heutigen Zeit.

Linus Torvalds

Linus Torvalds

(c) Linuxmag.com

Die Wiederentdeckung der Gemeingüter

Ostroms Leistung war es, die lange Zeit als Dogma behandelte Theorie von der "Tragödie der Commons" empirisch und theoretisch zu entwerten. Laut dieser von Garreth Hardin 1967 aufgestellten Theorie wird jedes Commons unausweichlich durch egoistisches Handeln zerstört. Ostrom+ hat gezeigt, dass dem nicht so sein muss, und hat dazu vor allem natürliche Beispiele benutzt, wie Wälder oder Fischgründe.

Im Digitalzeitalter sind jedoch Commons nicht verzehrbarer Güter entstanden, also von Gütern, die durch Nutzung nicht weniger werden. Neben Software gibt es immer mehr "freie" Kulturgüter, die unter Lizenzen wie Creative Commons (http://creativecommons.org/) in Umlauf gebracht werden. Und das ist etwas qualitativ Neues: die Wiederentdeckung der Gemeingüter in technologisch fortgeschrittenen Gesellschaften.

Commons = Gebrauchswert

Die Kulturgüter im "digital commons" werden nicht als Waren behandelt. Die Marxsche Unterscheidung zwischen Gebrauchswert und Tauschwert kommt hier gelegen. Der Tauschwert ist zwar Null, aber trotzdem wird etwas von Wert geschaffen: Blogs, Bilder, Musik- und Filmtauschbörsen. Die Kultur des Teilens ermöglicht es, dass Menschen füreinander Gebrauchswerte schaffen, ohne direkten ökonomischen Anreiz. Die Orientierung am Gebrauch und nicht am Marktwert fördert die Nachhaltigkeit solcher Gemeingüter.

Wie die Dinge im Augenblick liegen, sind Commons aber wie Inseln im Ozean einer überwiegend kapitalistischen Wirtschaft. Und diese Koexistenz ist problematisch. Denn zum einen braucht der Kapitalismus das Commons, zum anderen beruht es auf einem anderen Produktionsmodus. Die Kultur des Teilens schafft Gebrauchswerte, die eine "conviviality" ermöglichen. Der kanadische Internetforscher Nick Dyer-Whiteford++ übersetzt das als das "gute Leben", auf der Basis von Gemeingütern, zum Unterschied vom individuellen Luxuskonsum.

Commons ermöglichen aber auch kapitalistische Wertschöpfung, weil Unternehmen Wettbewerbsvorteile daraus beziehen, auf diese als freie Ressourcen zuzugreifen. So verwendet z.B. das Unternehmen Apple eine freie Variante von Unix als Basis seines PC-Betriebssystems. Viele Produkte können nur deshalb relativ billig hergestellt werden, weil natürliche Ressourcen nach wie vor wie unregulierte Commons behandelt werden, die man ungestraft nutzen und verschmutzen darf.

Tux, das Linux-Maskottchen

Tux, das Linux-Maskottchen

(c) Larry Ewing, Simon Budig, Anja Gerwinski

Wissen wird mehr, wenn es geteilt wird

Es ist nicht klar, wie mit den Commons umzugehen ist, wo legitime Eigentumsrechte bedroht sind, oder wo der völlig übertriebene Schutz derselben das Gemeinwohl bedroht. Diese unaufgelöste Problematik ist eine der größten Innovationsbremsen unserer Zeit.

In Feldern wie Kultur, Wissen, Lernen ist das Commons der sozusagen natürliche Zustand. Wissen gedeiht da, wo es geteilt werden kann. Kultur ist nicht denkbar ohne Traditionen, wobei bereits vorhandene Kulturgüter weitergegeben und dabei verändert werden. Hier künstliche Barrieren zu errichten, verteuert Bildung und Kultur, vermindert die Chancengleichheit und steigert auf längere Sicht die wirtschaftliche Ungleichheit.

Text: Armin Medosch, Autor und Medienwissenschaftler

Service

+ Ostrom, Elinor. 2011, "Was Mehr Wird, Wenn Wir Teilen: Vom Gesellschaftlichen Wert Der Gemeingüter", München: Ökom.

++ Dyer-Witheford, Nick. 1999, "Cyber-Marx: Cycles and Circuits of Struggle in High Technology Capitalism", University of Illinois Press.