Von Kapellen, Gärten, Museen und Felswänden

Offene Landschaft

In einem Spiegel Interview sagte der Schweizer Architekt Peter Zumthor einmal, er sei von Arte povera, Concept-Art und Land Art und der "mystisch sinnlichen Welt von Joseph Beuys" inspiriert worden, und mystisch inspiriert scheint mitunter auch sein Zugang zu Landschaft.

Eines seiner Bauwerke (ganz aus Holz) ist die Kapelle des heiligen Benedikt oberhalb des Dorfes Sumvitg in der Surselva im schweizerischen Kanton Graubünden - die alte Kapelle wurde 1984 von einer Lawine zerstört, Peter Zumthor gewann den Wettbewerb für den Neubau.

Kapelle des heiligen Benedikt

Kapelle des heiligen Benedikt

(c) Adrian Michael

Zumthor der vielfach gefeierte Architekt baut nicht nur Thermen oder Museen, er liebt die Berge ganz persönlich: außer der "Caplutta Sogn Benedetg", wie die Benediktskapelle auf rätoromanisch heißt, hat Peter Zumthor für seine Frau und sich in Leis Holzhäuser gebaut, die teilweise auch zu vermieten sind. Leis,ein Ortsteil der Graubündner Gemeinde Vals liegt 1526 Meter über dem Meer und wird von nur circa 20 Personen bewohnt, dennoch gibt es ein Gasthaus, die Wiesen werden von zwei Bauernfamilien bewirtschaftet.

Zumthor Ferienhäuser

"Und jetzt ist das Haus gebaut. Hell steht es da im kleinen Weiler von Leis mit seinen altersschwarzen Holzbauten. Daneben steht ein zweiter Neubau, den wir gleichzeitig errichtet haben, ein kleineres Schwesterhaus, zwei Häuser der gleichen Familie, die Leiserhäuser.
Man bewegt sich durch die Häuser von Aussicht zu Aussicht."

(c) Jon Paulin Zumthor

Peter Zumthor unter anderem Architekt des Kunsthauses in Bregenz erhielt 2009 den Pritzker Preis und am 6. Februar wird ihm in London die britische "Royal Gold Medal" übergeben. Das Königliche Institut der britischen Architekten ehrt damit einen Mann, dessen "Bauten im angeregten Dialog mit der Geschichte der Architektur" stehen. So formuliert e es die Präsidentin des Instituts, Angela Brady, und dies kann man auch z.B. bei dem temporären Pavillon der Serpentine Gallery in London für das Jahr 2011 sehen, den Zumthor geplant hat.

Für die Serpentine Gallery Im Kensington Garden werden seit dem Jahr 2000 jährlich berühmteste Architekten und Künstlereingeladen, einen neuen Pavillon zu bauen. Zu seinem Projekt, das er gemeinsam mit Piet Oudolf durchgeführt hat, sagte Zumthor: "Ein Garten ist das intimste Landschaftsensemble das ich kenne. Es ist uns nahe. Ein Garten verlangt Pflege und Absicherung, und deshalb geben wir ihm Schutz und der Garten wird zu einem Platz."

  • Serpentine Gallery Pavilion 2011

    Serpentine Gallery Pavilion 2011

    Zumthor ist von Bild eines eingezäunten Gartens mitten in der größeren Landschaft fasziniert, dass nämlich etwas Kleines einen Zufluchtsort innerhalb von etwas Großem gefunden hat.

    (c) John Offenbach

  • Serpentine Gallery Pavilion 2011

    Serpentine Gallery Pavilion 2011

    (c) Walter Herfst

  • Serpentine Gallery Pavilion 2011

    Serpentine Gallery Pavilion 2011

    (c) Hufton & Crow/VIEW

  • Serpentine Gallery Pavilion 2011

    Serpentine Gallery Pavilion 2011

    (c) John Offenbach

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Für mich sind die Gärten immer wichtiger geworden. Hier ist man stellvertretend für den lieben Gott tätig.

Und auch wenn man sich die Bilder der "Bruder-Klaus-Feldkapelle" in Wachendorf in der Eifel sieht, dann hat man einen Begriff davon, warum die Arbeit des Architekten Zumthor zum Thema "offene Landschaft" passt.

Bruder-Klaus-Feldkapelle in Wachendorf(Eifel), 2007

Bruder-Klaus-Feldkapelle

(c) MAIR, EPA

Landschaften und Heimaten

Am 29. Jänner war der Zeithistoriker Helmut Konrad zu Gast bei Andreas Obrecht in "Von Tag zu Tag". Und auch dort stand das Thema Landschaften im Mittelpunkt, denn Konrad sprach schon in seinen ersten Sätzen davon, "…dass Landschaften in denen man groß geworden ist, einen auch prägen, dass es Ängste gibt, wenn Landschaften ganz anders sind als gewohnt. Wenn man z.B. plötzlich aus dem Flachland in die hohen Berge kommt, oder umgekehrt das Meer sieht, wenn man bisher die Unbegrenztheit des Raums nicht wahrnehmen konnte."

Der im Lavanttal geborene, in Graz lehrende Zeitgeschichtler liebt die Landschaft der Südsteiermark ganz besonders - er meint, dass landschaftliche Umgebungen für das eigene Verhalten prägend sein können und sieht dementsprechend große Unterschiede zwischen dem Verhältnis zur Landesgrenze zwischen Kärnten und der Steiermark: "Ich habe versucht anhand dieser steirischen Weinberge zu zeigen, dass die Offenheit dieser steirischen Grenze -im Süden sind die gleichen Kulturlandschaften ob das nun Slowenien oder Österreich ist - , dass das zu mehr Verbundenheit und weniger Ängsten führt als die schroffe abgrenzende Wand der Karawanken."

Er konstatiert, dass die Beschäftigung mit Landschaft und Landschaftsformen für viele Jahrzehnte nicht besonders im Blickpunkt der Geschichtswissenschaften gestanden sei und erst die Wende hin zu Raumfragen diese Thematik interessant gemacht habe.

Landschaften in denen man lebt sind auch sehr prägend für das eigene Verhalten.

Konrads Worte über sein Gefühl der Beklemmung im engen Lavanttal und speziell seine Überzeugung, es gehe darum, draufzukommen, dass es mehrere Heimaten unterschiedlichen Typs geben kann, fand so manchen Widerspruch bei den Hörern und Hörerinnen der Sendung.

Die Geschichte einer Wiese

Durch Landschaften - es wurde mehrfach darüber berichtet - kann man gehen, man kann sie bepflanzen, mit ihnen leben oder sie ausbeuten. Eine Hörer/in z.B. hat an die Redaktion geschrieben, wir sollten das Schicksal einer ganz speziellen Wiese in der Steiermark näher untersuchen, weil sich ihre Nutzung so verändert habe, dass sie gefährdet sei. Wenn der Schnee geschmolzen ist, werden wir genau diese Wiese suchen und werden versuchen herauszubekommen, was es mit der Wandlung einer Wiese von Landschaft zu intensiv genutztem Agrarland auf sich haben könnte.

Wir freuen uns über die bisherigen Reaktionen, die Texte und Bilder zum Thema "offene Landschaft" und es wird immer wieder Sendungen geben, die zu diesem Thema passen. Mit ihrer Unterstützung werden es mehr sein, und dann kann der Landschaftsbegriff ohne Probleme auch etwas weiter gefasst sein: man kann sich, so wie der Architekt Peter Zumthor in den Menschenbildern am 3. Februar, ohne weiteres probehalber vorstellen, die Welt wäre eine Scheibe, auch wenn diese Ansicht heute eher ins Poetische geht und wissenschaftlich wirklich nicht mehr haltbar ist. Aber das war für Zumthor nicht das Thema, er wünschte sich eher ein anderes Weltmodell.

Ich finde die Vorstellung, dass wir auf einer Kugel leben schrecklich. Ich hätte gerne eine endlose Scheibe, das würde mir viel besser gefallen.

"KUB - Kunsthaus Bregenz", 1990 to 1997

KUB - Kunsthaus Bregenz

Apropos Modelle: das Kunsthaus Bregenz zeigt in seinem "Sammlungsschaufenster" auch 2013 eine Auswahl aus hunderten Architekturmodellen Peter Zumthors - im Postgebäude, direkt neben Zumthors Bau für das KUB.

(c) Leanza, EPA