Von Kapellen, Gärten, Museen und Felswänden
Offene Landschaft
In einem Spiegel Interview sagte der Schweizer Architekt Peter Zumthor einmal, er sei von Arte povera, Concept-Art und Land Art und der "mystisch sinnlichen Welt von Joseph Beuys" inspiriert worden, und mystisch inspiriert scheint mitunter auch sein Zugang zu Landschaft.
11. Februar 2013, 10:00
Eines seiner Bauwerke (ganz aus Holz) ist die Kapelle des heiligen Benedikt oberhalb des Dorfes Sumvitg in der Surselva im schweizerischen Kanton Graubünden - die alte Kapelle wurde 1984 von einer Lawine zerstört, Peter Zumthor gewann den Wettbewerb für den Neubau.
(c) Adrian Michael
Zumthor der vielfach gefeierte Architekt baut nicht nur Thermen oder Museen, er liebt die Berge ganz persönlich: außer der "Caplutta Sogn Benedetg", wie die Benediktskapelle auf rätoromanisch heißt, hat Peter Zumthor für seine Frau und sich in Leis Holzhäuser gebaut, die teilweise auch zu vermieten sind. Leis,ein Ortsteil der Graubündner Gemeinde Vals liegt 1526 Meter über dem Meer und wird von nur circa 20 Personen bewohnt, dennoch gibt es ein Gasthaus, die Wiesen werden von zwei Bauernfamilien bewirtschaftet.
Zumthor notiert
"Annalisa (seine Frau) hatte schon immer davon geträumt, in einem Holzhaus zu wohnen. Wenn sie mir davon erzählte, erhielt ich den Eindruck eines intimen Hauses in den Bergen. Es war klar, dass sie ein sehr persönliches Gefühl der Geborgenheit beschrieb. Sprach sie vom Geruch des Arvenholzes, vom Prasseln des Feuers im Stubenofen, von der besonderen Wärme des Holzes?
Ich weiß es nicht mehr, aber geblieben ist mir der Eindruck, dass das Haus, das sie beschrieb, diese besondere Ausstrahlung hatte, die nur Häuser aufweisen, die aus massivem Holz gebaut sind."
(c) Jon Paulin Zumthor
Peter Zumthor unter anderem Architekt des Kunsthauses in Bregenz erhielt 2009 den Pritzker Preis und am 6. Februar wird ihm in London die britische "Royal Gold Medal" übergeben. Das Königliche Institut der britischen Architekten ehrt damit einen Mann, dessen "Bauten im angeregten Dialog mit der Geschichte der Architektur" stehen. So formuliert e es die Präsidentin des Instituts, Angela Brady, und dies kann man auch z.B. bei dem temporären Pavillon der Serpentine Gallery in London für das Jahr 2011 sehen, den Zumthor geplant hat.
Für die Serpentine Gallery Im Kensington Garden werden seit dem Jahr 2000 jährlich berühmteste Architekten und Künstlereingeladen, einen neuen Pavillon zu bauen. Zu seinem Projekt, das er gemeinsam mit Piet Oudolf durchgeführt hat, sagte Zumthor: "Ein Garten ist das intimste Landschaftsensemble das ich kenne. Es ist uns nahe. Ein Garten verlangt Pflege und Absicherung, und deshalb geben wir ihm Schutz und der Garten wird zu einem Platz."
Für mich sind die Gärten immer wichtiger geworden. Hier ist man stellvertretend für den lieben Gott tätig.
Und auch wenn man sich die Bilder der "Bruder-Klaus-Feldkapelle" in Wachendorf in der Eifel sieht, dann hat man einen Begriff davon, warum die Arbeit des Architekten Zumthor zum Thema "offene Landschaft" passt.
(c) MAIR, EPA
Landschaften und Heimaten
Am 29. Jänner war der Zeithistoriker Helmut Konrad zu Gast bei Andreas Obrecht in "Von Tag zu Tag". Und auch dort stand das Thema Landschaften im Mittelpunkt, denn Konrad sprach schon in seinen ersten Sätzen davon, "…dass Landschaften in denen man groß geworden ist, einen auch prägen, dass es Ängste gibt, wenn Landschaften ganz anders sind als gewohnt. Wenn man z.B. plötzlich aus dem Flachland in die hohen Berge kommt, oder umgekehrt das Meer sieht, wenn man bisher die Unbegrenztheit des Raums nicht wahrnehmen konnte."
Der im Lavanttal geborene, in Graz lehrende Zeitgeschichtler liebt die Landschaft der Südsteiermark ganz besonders - er meint, dass landschaftliche Umgebungen für das eigene Verhalten prägend sein können und sieht dementsprechend große Unterschiede zwischen dem Verhältnis zur Landesgrenze zwischen Kärnten und der Steiermark: "Ich habe versucht anhand dieser steirischen Weinberge zu zeigen, dass die Offenheit dieser steirischen Grenze -im Süden sind die gleichen Kulturlandschaften ob das nun Slowenien oder Österreich ist - , dass das zu mehr Verbundenheit und weniger Ängsten führt als die schroffe abgrenzende Wand der Karawanken."
Er konstatiert, dass die Beschäftigung mit Landschaft und Landschaftsformen für viele Jahrzehnte nicht besonders im Blickpunkt der Geschichtswissenschaften gestanden sei und erst die Wende hin zu Raumfragen diese Thematik interessant gemacht habe.
Landschaften in denen man lebt sind auch sehr prägend für das eigene Verhalten.
Konrads Worte über sein Gefühl der Beklemmung im engen Lavanttal und speziell seine Überzeugung, es gehe darum, draufzukommen, dass es mehrere Heimaten unterschiedlichen Typs geben kann, fand so manchen Widerspruch bei den Hörern und Hörerinnen der Sendung.
Die Geschichte einer Wiese
Durch Landschaften - es wurde mehrfach darüber berichtet - kann man gehen, man kann sie bepflanzen, mit ihnen leben oder sie ausbeuten. Eine Hörer/in z.B. hat an die Redaktion geschrieben, wir sollten das Schicksal einer ganz speziellen Wiese in der Steiermark näher untersuchen, weil sich ihre Nutzung so verändert habe, dass sie gefährdet sei. Wenn der Schnee geschmolzen ist, werden wir genau diese Wiese suchen und werden versuchen herauszubekommen, was es mit der Wandlung einer Wiese von Landschaft zu intensiv genutztem Agrarland auf sich haben könnte.
Wir freuen uns über die bisherigen Reaktionen, die Texte und Bilder zum Thema "offene Landschaft" und es wird immer wieder Sendungen geben, die zu diesem Thema passen. Mit ihrer Unterstützung werden es mehr sein, und dann kann der Landschaftsbegriff ohne Probleme auch etwas weiter gefasst sein: man kann sich, so wie der Architekt Peter Zumthor in den Menschenbildern am 3. Februar, ohne weiteres probehalber vorstellen, die Welt wäre eine Scheibe, auch wenn diese Ansicht heute eher ins Poetische geht und wissenschaftlich wirklich nicht mehr haltbar ist. Aber das war für Zumthor nicht das Thema, er wünschte sich eher ein anderes Weltmodell.
Ich finde die Vorstellung, dass wir auf einer Kugel leben schrecklich. Ich hätte gerne eine endlose Scheibe, das würde mir viel besser gefallen.
(c) Leanza, EPA
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