Bruce Willis im Roman

Die Abenteuer meines ehemaligen Bankberaters

"Ich kam mit dem Buch nicht so richtig weiter, ich lag auf dem Bett und lenkte mich ab und schaute Trailer für Kinofilme, und dort war auch ein Trailer für einen neuen Film mit Bruce Willis zu sehen, und ich nörgelte rum und sagte, ich möchte auch lieber einen Film mit Bruce Willis drehen als jetzt dieses blöde Buch zu schreiben", so der Autor.

"Und dann dachte ich: Moment, das kann ich doch machen, einen Film nicht, ich kann aber ein Buch mit Bruce Willis schreiben, das ist auch viel billiger, viel wahrscheinlicher, dass das zustande kommt, denn ich kann ja ein Buch mit Bruce Willis ohne Bruce Willis schreiben, ein Film mit Bruce Willis ohne Bruce Willis ist schon ein bisschen schwieriger, und dann überlegte ich ein bisschen, wie das denn zustande kommen könnte, welche Rolle Bruce Willis dort haben sollte, und da kam mir diese Idee mit den E-Mails, die ein fiktiver Schriftsteller namens Tilman Rammstedt an Bruce Willis schreibt."

Unbeantwortete Mails

Bruce Willis also ist einer der Protagonisten in Tilman Rammstedts neuem Roman - ein widerwilliger Bruce Willis, der die zahlreichen und immer dringlicheren Mails des Schriftstellers Tilman Rammstedt beharrlich ignoriert. Rammstedt will den Action-Star für seinen Roman gewinnen: Er soll den Bankberater spielen, in einer zunächst nicht näher benannten brenzligen Situation, denn der tatsächliche Bankberater ist für brenzlige Situationen so gar nicht geeignet. Soll es also zu einem glücklichen Ende kommen, muss Bruce Willis einfach einspringen:

Brenzlige Situationen

Herr Willis hilft nicht, Herr Willis hüllt sich in Schweigen. Das aber stört Tilman Rammstedt nicht weiter: Wenn Bruce Willis nicht antworten will, dann wird er eben ohne seine Zustimmung in brenzlige Situationen gebracht. Als da wären: ein Banküberfall, eine Verfolgungsjagd mit der Polizei, ein Kampf mit einem Hund... Aber wo ist eigentlich der Bankberater geblieben? Schließlich heißt der Roman "Die Abenteuer meines ehemaligen Bankberaters" und nicht "Die Abenteuer von Bruce Willis". Den Bankberater gibt es auch, einen depressiven Bankberater, der immer wieder in kurzen Szenen auftaucht, trübsinnige Lebensweisheiten von sich gibt oder auch gar nichts sagt - eine Figur, die sehr gut in eine von der Finanzkrise geprägte Zeit passt, meint Rammstedt:

"Er ist ja eine Krisenfigur, mein Bankberater, und es ist kein Investmentbanker, kein Hedge-Fonds-Manager, das sind diese kleinen, von der Funktion her kleinen Figuren, die strahlten für mich sowieso immer schon so eine wahnsinnige Melancholie aus. Ich hatte das Gefühl, sie benutzen einen Jargon, den sie auch nicht richtig durchschauen, und das alles passte sehr zu diesem Bankberater und es ist ja auch kein Zufall, dass der Bankberater in dem Roman, wie es zumindest angedeutet wird, seinen Job verliert, er ist ja auch kein besonders guter Bankberater, muss man sagen, und dass er dann aber trotzdem weiter berät... Er verliert seine Arbeit, hat aber immer noch seinen wahrscheinlich einzigen Kunden, Tilmann Rammstedt, und den berät er dann halt im Vorraum der Bank oder auf der Straße, weil ihm einfach nichts anderes einfällt, was er tun könnte."

Tolle Abenteuer

Während also der Bankberater vor sich hin sinniert, erleben der Autor Tilman Rammstedt und Bruce Willis die tollsten Abenteuer, die Rammstedt dem Kinostar in seinen Mails schildert. Und all das ist so leicht und flüssig und humorvoll und spritzig geschrieben, dass man den Eindruck hat, der wirkliche Tilman Rammstedt hätte beim Schreiben ungeheuren Spaß gehabt. Tatsächlich aber waren gerade die actionreichen Passagen für Rammstedt einigermaßen schwierig:

"Das sind alles Stellen, die ich mir selber ein bisschen als Herausforderung gesucht habe, denn es ist eigentlich ziemlich weit entfernt von dem, was ich sonst schreibe, und die haben einerseits Spaß gemacht, weil ich plötzlich in einem ganz neuen Feld mich bewegte, tatsächlich so ein bisschen Action-Sequenzen zitierend eher, mit ihnen spielend, und gleichzeitig waren die aber für mich auch harte Arbeit. Es ist einfacher für mich, Gedankenspiralen zu beschreiben, als einen Schusswechsel mit der Polizei."

Irgendwann im Lauf des Buches verschwimmen die Grenzen zwischen den einzelnen Figuren immer mehr. Bruce Willis könnte auch der Bankberater sein, oder umgekehrt: "Sie werden von Tilmann Rammstedt sozusagen übereinandergelegt. Gezwungenermaßen verschmelzen sie, der Roman ist ja so angelegt, dass sowohl der Bankberater als auch Bruce Willis aus der sehr subjektiven Sicht dieses Tilmann Rammstedt beschrieben worden sind und er sich eigentlich alles zu eigen macht. Das heißt, eigentlich sind sie auch beides Inkarnationen von diesem Tilmann Rammstedt selbst, und damit wahrscheinlich auch von mir."

Witz und Phantasie

Zu kompliziert? Keine Sorge - Tilmann Rammstedt macht es seinen Lesern wirklich nicht schwer. Denn er erzählt mit so viel Witz und Phantasie, dass die Frage, wer nun eigentlich wer ist, gar nicht so sehr im Zentrum steht. Überhaupt ist die Struktur des Buches höchst geschickt gedrechselt, auch wenn sie Rammstedt selbst hin und wieder verwirrte, wie er sagt:

"Wenn ich dann einen Schritt zurücktrat und dachte, ok, was ist jetzt eigentlich die Struktur, wie greifen denn diese Erzählungen ineinander, da kam ich dann selber immer durcheinander und ich musste es erst für mich wieder klären oder in den häufigsten Fällen musste ich dann einfach beschließen, dass es an manchen Stellen ein bisschen geschummelt ist, und dann muss man literarische Rauchbomben zünden, um davon abzulenken. Ein großer Teil des Schreibens ist ja immer auf eine Art zu schummeln, dass sie dem Leser auffällt, aber er es einem verzeiht. Weil man halt an der richtigen Stelle dann ein Feuerwerk anzündet, das von irgendetwas ablenken soll, und dann denkt der Leser: ok, aber das Feuerwerk ist immerhin schön. Das ist sozusagen meine Schreibstrategie."

Eine Schreibstrategie, die sich als erfolgreich erwiesen hat: Rammstedts Roman ist nicht nur außerordentlich unterhaltend, sondern hat durch seine Doppelbödigkeit auch eine tiefere Ebene, die sich freilich nicht aufdrängt, sondern ganz selbstverständlich mitschwingt. Eine Frage ist freilich noch offen: Weiß Bruce Willis überhaupt von seinem Gastspiel in einem deutschen Roman?

"Er weiß es noch nicht, ich wollte jetzt tatsächlich versuchen, ihm nochmal eine Mail zu schreiben, oder ihm sogar das Buch zu schicken, Deutsch kann er meines Wissens nicht, obwohl er, wie ich jetzt auch erst rausgefunden habe, in Deutschland geboren wurde, aber seinen Namen kann man ja auch auf Deutsch lesen und dann wird er schon feststellen, dass er da eine große Rolle spielt. Und dann kann ich nur hoffen, dass er gute Laune hat."

Service

Tilman Rammstedt, "Die Abenteuer meines ehemaligen Bankberaters", Dumont Buchverlag