Das Müllzentrum am Meidlinger Markt
In der heutigen Folge von "Architektur revisited" besuchen wir ein Bauwerk Johann Georg Gsteu: das erst 2006 eröffnete Müllzentrum am Meidlinger Markt in Wien. Gsteu gehört zu den zentralen Figuren der Architektur der Zweiten Republik, meint der Architekturpublizist Friedrich Achleitner, und das trotz geringer öffentlicher Präsenz.
27. April 2017, 15:40
Kulturjournal, 12.02.2013
Es war ein starker Jahrgang, könnte man rückblickend sagen: Mit den Architekten Wilhelm Holzbauer, Friedrich Kurrent, Hans Puchhammer und mit Friedrich Achleitner - heute alle in ihren Achtzigern - besuchte Johann Georg Gsteu die Staatsgewerbeschule in Salzburg, Abteilung Hochbau. Gsteu ging dann an die Akademie der bildenden Künste in Wien, wo er bei Clemens Holzmeister und Erich Boltenstern studierte. Er erinnert sich an den interdisziplinären Unterricht und die Aktzeichenkurse beim Maler Herbert Boeckl, denn er hätte die Schüler immer aufgebaut. "Ich habe den so gern gehabt", sagt Gsteu.
Gsteu war in der kulturellen Aufbruchszeit nach dem Krieg mit den Avantgarde-Künstlern ebenso befreundet wie mit den Literaten der Wiener Gruppe, und auch die Freundschaft mit dem Komponisten Friedrich Cerha hält bis heute an.
Komplizierter Prototyp
In seiner Praxis als Architekt, interessierte sich Gsteu für vorgefertigte Bauteile und für neue Materialien. Er entwarf Wohnhäuser, Kindergärten, Restaurants, Jugendherbergen, Sparkassenfilialen, U-Bahn-Stationen und vor allem viele Sakralbauten, etwa die Pfarrkirche Hetzendorf mit Friedrich Achleitner oder das Seelsorgezentrum Oberbaumgarten.
Trotz seiner reichhaltigen Erfahrung mit verschiedenen Nutzungstypen, bedeutete für ihn 2004 der Auftrag, ein Müllzentrum für den Meidlinger Markt zu entwerfen, eine besondere Herausforderung. Es sei seine komplizierteste Arbeit gewesen, sagt Gsteu. Es galt, eine Einhausung für Müllcontainer und andere Markt-Infrastruktur zu schaffen - ohne Geruchsbelästigung und auf der geringen Grundfläche von zwei Marktständen.
Johann Georg Gsteu hat für das Müllzentrum eine prototypische Lösung entwickelt: eine hydraulische Torklappe, die abends geschlossen werden kann und bis zu 5,5 Meter hoch geöffnet werden kann, wenn LKWs die Container auswechseln.
Alexander Hengl vom Marktamt führt vor, wie die geknickte Klappe, die eine Seitenwand und ein Teil des Daches des Gebäudes ist, per Knopfdruck gehoben und gesenkt wird.
Verbesserte Abfalllogistik
Verkleidet ist der technoide, skulpturale Bau inmitten der Marktstände mit gelochten Blechplatten, sodass eine ständige Durchlüftung erfolgt. Die Abfalllogistik des Marktes wurde durch die ausgeklügelte Planung von Johann Georg Gsteu wesentlich verbessert - was für Marktstandler, die sich nicht für Gegenwartsarchitektur interessieren, das wichtigste Kriterium ist.
Zeki Usta verkauft in seinem kleinen Stand Fischburger. Es sei leider viel zu wenig los hier, auf dem Meidlinger Markt, vor allem im Winter: "Keine Leute kommen. Es ist schon tot, diese Geschäftsgegend."
Viele der Stände sind dauerhaft geschlossen - es ist zu hoffen, dass sich der Markt regeneriert und mehr Leute anziehen wird. Die Architektur von Johann Georg Gsteu wird dazu kaum beitragen können, doch ist sie ein gutes Beispiel dafür, dass im städtischen Gefüge wenig beachtete Nutzbauten innovative Lösungen zeitigen können, ohne das Umgebungsbild zu beinträchtigen.