Roy-Lichtenstein-Retrospektive in London
"Whaam!", "Blam!" und "Takka Takka" - vom Comicstrip inspirierte Malerei ist das Markenzeichen von Roy Lichtenstein. Die Tate Modern in London zeigt jetzt eine große Retrospektive des amerikanischen Pop-Art-Künstlers.
8. April 2017, 21:58
In den 1960er Jahren wurde er als "schlechtester Maler Amerikas" und als "Saboteur der hohen Kunst" beschimpft. Heute ist Roy Lichtenstein neben Andy Warhol einer der größten Pop-Art-Künstler seiner Zeit. Seine Werke erzielen Spitzenpreise. Die "Schlafende Schönheit" etwa wurde bei Sotheby's vor drei Jahren um umgerechnet 31 Millionen Euro versteigert.
Die Tate Modern in London würdigt das Schaffen des 1997 verstorbenen New Yorkers jetzt mit einer großen Retrospektive. Die Ausstellung zeigt Lichtenstein in allen Facetten: Nicht nur seine vom Comicstrip inspirierten Bilder sind zu sehen, sondern auch abstrakte Gemälde, chinesische Landschaften und Skulpturen im Art-déco-Stil. Vier Jahre hat es gedauert, die 125 Werke aus zahlreichen Privatsammlungen zusammenzutragen.
Kulturjournal, 20.02.2013
"Schau mal Mickey" empfängt die Besucher gleich am Anfang. Ebenfalls zu sehen sind die Gemälde "Whaam!" - 1966 von der Tate erworben - und "Takka Takka", eine Leihgabe des Museum Ludwig in Köln. Die Retrospektive erhebt den Anspruch das Bild von Roy Lichtenstein zu vervollständigen, sagt Kuratorin Sheena Wagstaff, von den Höhepunkten der Pop-Art-Bewegung, über Lichtensteins Ausflüge in den Expressionismus bis hin zu den chinesischen Landschaften vor seinem Tod.
"Wenn man sich seine Spätwerke anschaut, sieht man, dass er auch hier versuchte, Motive zu stilisieren, wie er das schon in den Pop-Art-Werken machte", sagt Wagstaff. "Das wollen wir den Besuchern zeigen, es ist die erste vollständige Schau seiner Werke."
Inspiriert von seinen Kindern
Lichtenstein ereilte sein großer Geistesblitz – Comicfiguren zu malen -, als er schon den Glauben an eine steile Karriere aufgegeben hatte. Er war ein 37 Jahre alter Freizeitmaler mit akademischem Abschluss, der mit Aushilfsjobs seine Kleinfamilie über Wasser hielt. Seine Kinder baten ihn eines Tages, ein Bildchen aus ihrer Kaugummiverpackung zu monumentalisieren. Die Wirkung dieser Vergrößerung überwältigte Lichtenstein. Der Galerist Castelli nahm den New Yorker unter Vertrag und schockte die Kunstwelt mit Ausstellungen.
"'Schau Mickey', das erste Werk in diesem Stil, wurde erst 1984 ausgestellt, obwohl es schon 1961 entstanden war", sagt Wagstaff. "Lichtenstein fand erst sehr spät seinen eigenen Stil, das ist sehr ungewöhnlich im Vergleich zu heute, wo Künstler mit Anfang 20 oder Mitte 20 ihren Durchbruch haben."
Late Nudes
Ein Raum ist allein den großen Aktgemälden gewidmet, die Lichtenstein in den 1990er Jahren schuf. Die Modelle für seine kurvenreichen "Late Nudes" holte er sich aus den Comic-Heften - und stellte sich einfach vor, wie sie nackt aussehen würden. Dorothy Herzka, die Witwe Roy Lichtensteins, sagt, in allen seinen Werken war eine Spur Ironie zu finden:
"Ich glaube er dachte sich, die Nacktheit wäre sicherlich amüsant und der Betrachter würde sich fragen, warum haben die nichts an. Es sind typische Bilder eines romantischen Comics, auf diese Weise wurden sie für ihn zu etwas Neuem. Sozial gesehen war es die Zeit in den USA, wo viel über Gleichberechtigung von Frauen und Homosexuellen diskutiert wurde, ich denke diese Themen hatte er auch im Hinterkopf."
Dass seine plakativen Punkt-Punkt-Strich-Schraffur-Gemälde im Lauf der Zeit so beliebt wurden, beruht eigentlich auf einem Missverständnis: Die Betrachter sprechen auf seine Motive an, die starken, klaren Primärfarben, auch auf das Vertraute der Sprechblasenbilder aus den Comicheften. Aber um die Motive ging es Lichtenstein am allerwenigsten. Er wisse manchmal gar nicht, was ein Gemälde zeige, hat er behauptet.