"3096 Tage" zum Fall Kampusch

Es ist ein denkbar heikler Stoff für eine Verfilmung: "3096 Tage", der Film über die achtjährige Gefangenschaft von Natascha Kampusch, hat jetzt in Wien seine Weltpremiere erlebt. Initiator des Films war die Produzentenlegende Bernd Eichinger, nach Eichingers Tod 2011 führte die Produktionsfirma Constantin-Film das Projekt weiter.

Morgenjournal, 26.2.2013

  • Die Entführung Nataschas

    (c) Constantin Film

  • Natascha in ihrem Verlies

    (c) Constantin Film

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Der große Medienandrang in einem Kinocenter im Süden Wiens zeigte es deutlich: Das mediale Interesse an Natascha Kampusch ist ungebrochen. Nicht nur zur Premiere des Films "3096 Tage", auch schon in den Tagen zuvor hatte sich Kampusch der Öffentlichkeit gestellt; Boulevardmedien interessierten sich unterdessen vor allem für den sexuellen Missbrauch, der im Film dargestellt wird.

Einem solchen Voyeurismus setzt der Film selbst eine betont nüchterne Erzählung der Ereignisse entgegen. Ohne Umschweife setzt er in den letzten Stunden an, die die zehnjährige Natascha in Freiheit verbracht hat, zeigt die Entführung des Mädchens und schließlich die quälenden Szenen ihrer Gefangenschaft.

Fast Normalität

Im Zentrum des Films steht die Zweisamkeit, die ungleiche Machtbeziehung von Natascha Kampusch und Wolfgang Priklopil, in der zwischen Schlägen, Nahrungsentzug und Demütigung auch so etwas wie Normalität möglich ist, etwa wenn der Entführer und sein Opfer im Kellerverlies Weihnachten feiern.

Achteinhalb Jahre lang, bis zu ihrer Selbstbefreiung, bleibt Natascha standhaft und zerbricht nicht - diesen Aspekt zu zeigen, sei ihr wichtig gewesen, erklärt Regisseurin Sherry Hormann.

Detaillierte Inszenierung

Ursprünglich hatte Produzent Bernd Eichinger die Verfilmung des Falls Kampusch für die deutsche Constantin Film in Angriff genommen. Von ihm blieben Teile des Drehbuchs; nach seinem Tod im Jänner 2011 übernahm die Deutsch-Amerikanerin Sherry Hormann die Regie, gedreht wurde in englischer Sprache.

Der Film besticht durch eine detailreiche Inszenierung, aber nicht zuletzt auch durch die großen Leistungen der beiden britischen Kampusch-Darstellerinnen: Amelia Pidgeon spielt Kampusch im ersten Teil des Films als Kind, Antonia Campbell-Hughes dann als abgemagerte junge Frau, die zusammen mit Thure Linhardt alias Wolfgang Priklopil ein klaustrophobisches Kammerspiel abliefert.

Man kann sich fragen, warum der Fall Kampusch überhaupt verfilmt werden musste, ob das Schicksal der jungen Frau damit einmal mehr kommerziell ausgeschlachtet wurde, oder ob die Mediengesellschaft solche Tragödien nur auf diese Weise verarbeiten kann. Fest steht: "3096 Tage" macht das Martyrium von Natascha Kampusch schmerzlich nachvollziehbar, ist dabei gänzlich unpathetisch und verzichtet auf Voyeurismus. Bleibt die spannende Frage, wie viele Kinobesucher diesen Leidensweg mitgehen wollen.

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3096 Tage