Rotes Kreuz: Hilfe im Krieg immer schwieriger

Syrien, Mali, Afghanistan - das sind aus humanitärer Perspektive die derzeit schlimmsten Konflikte weltweit. Das sagt Yves Daccord, der Generaldirektor des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes. Die oft unübersichtlichen Konflikte mit mehreren Fronten gleichzeitig stellen die Rot-Kreuz-Bewegung, die vor 150 Jahren gegründet wurde, oft vor schwierige Aufgaben.

Mittagsjournal, 9.3.2013

Syrien "Brandherd Nummer eins"

Syrien, wo seit zwei Jahren ein erbitterter Bürgerkrieg tobt, ist zurzeit der humanitäre Brandherd Nummer eins, sagte Daccord im Ö1-Mittagsjournal. "Wir haben es mit einem weit verzweigten Konflikt zu tun. In fast jeder Stadt gibt es mehrere Fronten. Wenn man etwa von Damaskus nach Idlib fährt, muss man fünf bis sieben Front-Linien überwinden", so Daccord. Zugang zu den Notleidenden zu bekommen, sei ein zentrales Problem.

Gründungsvater des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes war der Schweizer Geschäftsmann Henry Dunant. Die Schlacht von Solferino im heutigen Italien, 1859, wo an einem einzigen Tag 6.000 Soldaten getötet wurden, war das Kardinal-Ereignis. Auch Kriege brauchen Regeln war fortan Dunants Forderung: Der Friedensnobelpreisträger gilt auch als Initiator der Genfer Konvention, in der zum ersten Mal Leitlinien für den Schutz von Menschen im Krieg festgehalten wurden.

Frauen geraten zunehmend ins Visier

In den vergangenen Jahrzehnten haben sich die Konflikte aber grundlegend geändert. Kriege zwischen Staaten - wie früher üblich - gibt es kaum mehr, die Konflikte brechen innerhalb von Staaten aus.

Es geraten zunehmend Frauen ins Visier. Vergewaltigung werde als Waffe eingesetzt, und zwar kalkuliert und systematisch. "Denn Frauen sind stärker als Männer, sie halten die Familie, die Gesellschaft zusammen", sagte Daccord. "Wenn man sie trifft, dann hat das eine enorme Wirkung."

Kritik an Grundprinzipien

Unparteilichkeit und Diskretion sind zwei nicht unumstrittene Grundprinzipien des Roten Kreuzes. 2004 gelangten Fotos aus dem irakischen Gefängnis Abu Ghraib an die Öffentlichkeit. Diese belegten, dass unter anderem US-Soldaten irakische Häftlinge brutalst folterten. Das Rote Kreuz wusste längst, was in Abu Ghraib passierte, äußerte sich in der Öffentlichkeit aber erst dazu, nachdem die Fotos bekannt wurden.

"Da haben wir völlig richtig gehandelt", so Yves Daccord. Es sei kein Fehler gewesen. Das Rote Kreuz habe einen seriösen, detaillierten und sehr kritischen Bericht darüber verfasst und ihn der US-Regierung übergeben. Dieser sei dann durchgesickert und vom Wallstreet Journal zitiert worden. "Wir haben unseren Job getan", so Daccord.

Rotes Kreuz in 186 Ländern

In 186 Ländern gibt es mittlerweile Rot-Kreuz-Organisationen. Viele von ihnen in muslimischen Ländern, unter der Flagge des Roten Halbmondes.

In Syrien zum Beispiel sei eines der vordringlichsten Ziele des Roten Kreuzes der Zugang zu den Gefängnissen. Das sei sehr kritisch, sagt Daccord. Berichte von Menschenrechtsorganisationen lassen das Schlimmste befürchten.