Bibelkommentar zu Lukas 24, 13-35
Nichts wie weg, nur weg aus der Metropole Jerusalem, in der die Sache mit Jesus so katastrophal geendet hatte - das ist die Ausgangssituation der zwei Männer, von denen heute in der Bibelstelle die Rede ist.
10. April 2013, 18:24
Sie haben wohl alles, was die Tage davor geschehen ist, mit eigenen Augen miterlebt -den Schauprozess, die Hinrichtung und den gewaltsamen Tod, den Jesus gestorben war. Sie waren mit ihm unterwegs gewesen, voller Hoffnungen auf Erlösung aus sozialem und politischem Elend, und nun hatte sich alles in Chaos und Schrecken aufgelöst.
Einige Frauen aus ihrer Gruppe wollten sich zwar nicht mit diesem Ende abfinden. Sie waren zum Grab gegangen und meinten, sie hätten Jesus lebendig gesehen. Den beiden Jüngern jedoch, die hier genannt werden, reicht es. Sie flüchten aufs Land, angstvoll und deprimiert.
Die bekannte Geschichte vom Gang nach Emmaus beschreibt nun in literarischer Verdichtung den Prozess einer radikalen Umkehr. Der Beginn der Erzählung ist von Uneinigkeit, Verzweiflung und Irritation geprägt, und am Ende steht eine gemeinsame Überzeugung, dass es einen Neubeginn und eine hoffnungsvolle Zukunft gibt.
In vier Phasen wird diese Umkehr-Bewegung deutlich, und sie hat meines Erachtens viele Ähnlichkeiten mit den Heilungsschritten die auch in einer Psychotherapie gegangen werden.
Als erstes braucht es den Abstand vom Ort der Katastrophe. In ein etwa zwölf km entferntes Dorf wollen die Männer kommen. Beim Gehen reden sie von ihrer Enttäuschung und den traumatischen Erfahrungen. Das Reden bringt das, was im Innern quält, nach außen und macht es bearbeitbar. Die beiden erzählen es zuerst einander, und dann auch einem Fremden, einem Nichtbetroffenen, der vorerst einfach mitgeht, dann nachfragt und aufmerksam zuhört. Dieser Fremde belässt es jedoch nicht dabei, ihnen in ihrem Gefühl der Aussichtslosigkeit empathisch beizupflichten. Er hakt ein und versucht, ihren Blickwinkel zu weiten. Das ist der zweite Schritt: was geschehen ist, soll in einem größeren Zusammenhang gesehen werden. Die gesamte Geschichte wird hereingenommen in die Gegenwart. Damit gelingt es, den Tunnelblick zu weiten - und augenscheinlich wird am Ende des Tunnels ein Licht sichtbar. Denn die beiden Männer werden jetzt, in einem dritten Schritt, aktiv. Im Dorf angekommen laden sie ihren Begleiter ein, zu bleiben. Den Fremden als Gast zu sehen und gemeinsam zu essen ist wohl die nächste heilsame und stärkende Erfahrung: das Leben geht weiter! Beim Teilen, beim gemeinsamen Brot brechen gehen ihnen endgültig die Augen auf, sie bekommen quasi den Durchblick und können sehen, dass alles Geschehene Sinn hat. Damit hat auch der Tod seinen Schrecken verloren, und die lähmende Angst davor.
Das bringt sie dann erst richtig in Bewegung. Konsequent und mutig brechen sie auf, sie trauen sich zurück an den Ort des Geschehens, ins Machtzentrum Jerusalem.
Sie treffen ihre WeggefährtInnen wieder und bekennen gemeinsam, dass der Tod Jesu nicht das Ende ist. Jesus lebt, mit ihnen und unter ihnen, wenn sie das Brot und das Leben teilen und seinen Weg weitergehen.
Somit ist dieser Wandel vom hoffnungslosen Gefühl des Gescheitert-Seins zum Glauben an die Auferstehung der Umkehrprozess der jungen Gemeinde insgesamt, und der Anfang der christlichen Bewegung. Aus einer Schar ängstlicher und frustrierter VerliererInnen wurde eine Gruppe, die an das Leben glaubt, vor und nach dem Tod.
Der Glaube an die Auferstehung ist für mich das zentrale und herausfordernde christliche Glaubensgut. Das ist kein Aberglaube an ein medizinisches Wunder. Dieser Glaube an die Auferstehung ignoriert weder die Realität, noch bewahrt er vor dem Leiden an ihr. Er ist keine billige Hoffnung, die ins Gelingen verliebt ist, sondern ein Anknüpfen an einen Gott, der Menschen durch die Geschichte begleitet und gestärkt hat in ihrem Aufstehen gegen Unmenschlichkeit und Unrecht. Dieser Auferstehungsglaube gibt die Kraft, sich nicht einem kurzatmigen Realismus hinzugeben, sondern auch in der Trauer Trost zu finden und aus dem Leiden neue Kraft zu bergen.
Angesichts weitverbreiteter Hoffnungslosigkeit wünsche ich mir, dass sich viele Menschen anstecken lassen von der Überzeugung, dass aufstehen soll, was danieder liegt, und sie einander tatkräftig aufrichten "zur Auferstehung auf Erden, zum Aufstand gegen die Herren, die mit dem Tod uns regieren …" - so wie der evangelische Pfarrer und Dichter Kurt Marti es in seinem 'anderen Osterlied' geschrieben hat.