Debütroman der "Afropolitan"-Autorin Taiye Selasi

Sie gilt als der neue Stern am internationalen Literaturhimmel: Taiye Selasi, geboren in London, aufgewachsen in den USA, die Eltern aus Afrika. Ihr Debütroman "Ghana must go", auf Deutsch mit dem Titel "Diese Dinge geschehen nicht einfach so" erschienen, hat Lobeshymnen ausgelöst. Spannende Handlung, exzellente Beschreibung der Charaktere und fesselnde Sprache, sind sich die Kritiker einig.

Mittagsjournal, 4.4.2013

Aus Rom,

Sobald man Taiye Selasi gegenübersteht, weiß man warum sie den Begriff Afropolitan erfunden hat. Eine schöne Frau afrikanischer Herkunft, hochausgebildet, lässig, kultiviert, polyglott und: an den hippsten Plätzen der Welt zuhause. Seit rund einem Jahr ist das Rom. Eigentlich wollte sie sich hier nur kurz umsehen - lacht der neue Shooting-Star der internationalen Literaturszene ihr mitreißendes Lachen. Taiye Selasis erster Roman - im Deutschen Diese Dinge geschehen nicht einfach so - ist eine Geschichte über das Zuhause. Über Suche und Verlust. Eine Familiensaga des 21. Jahrhunderts. Abseits nationaler Grenzen: Familie, das ist für mich nichts geographisch Beschränktes. Familie ist etwas, das ständig passiert. Um einen herum, für einen, gegen einen. Grundsätzlich ist Familie eine Idee; eine wundervolle Idee, die es wert ist, ertragen und weitergetragen zu werden.

Ihre Wurzeln, das sind für die in London geborene Tochter eines afrikanischen Ärzteehepaares, daher Menschen - allen voran ihre Zwillingsschwester - und ihre Arbeit. 2005 machte Taiye Selasi mit einem Aufsatz über afrikanische Kosmopoliten zum ersten Mal von sich reden, 2011 erschien ihre Erzählung The Sex lives of African Girls, jetzt ihr Debütroman: Die Geschichte der Familie Sai: Mein ganzes Leben ist in diesem Roman. Vor allem, was die oberflächlichen Details betrifft. Mein Vater ist ja Chirurg und stammt aus Ghana. Meine Mutter ist aus Nigeria, hat schottische Vorfahren und liebt Blumen. Meine Zwillingsschwester und ich, wir haben in Yale studiert. Diese demographischen Details, die habe ich einfach schamlos aus meinem Leben gestohlen. Und ich hoffe, meine Familie verzeiht mir das.

Woher letztlich die Ideen zum Schreiben kommen? Von überallher, sagt die ausgebildete Fotografin, die Bild und Wort als untrennbare Einheit empfindet. Konkret werden ihre Figuren aber erst, wenn die leidenschaftliche Cello-Spielerin und Leonard Cohen Verehrerin ihnen Musik und Rhythmus zuordnen kann: Musik und Rhythmus sind unerlässlich für die Literatur. Die Literatur, die ich bevorzuge ist daher jene, die der Musik, die dem Aufbau einer Symphonie am nächsten kommt. Das ist jene Literatur, die ich gerne lese, und die ich versuche zu schreiben.

Einfühlsam, intelligent, emotional und - wenn es die Themen Ausgrenzung, Rassismus und Missbrauch verlangen - auch hart, so ist Selasis Prosa, die das Leben zwischen New York und Lagos, zwischen Boston und Accra aufzeigt, ohne politisch auftreten zu wollen: Es gibt diese Tendenz im Westen, Künstler aus den Schwellenländern immer auch nach ihrem politischen Engagement zu beurteilten. Ich denke, das ist ein falsches Verständnis dessen, was Künstler antreibt. Wenn sich allerdings ein Schriftsteller dafür entscheidet, dann gibt es nur einen Weg. Er muss die Wahrheit erzählen. Und zwar die ganze Wahrheit. Denn das Problem mit Klischees ist nicht, dass sie falsch sind. sondern, dass sie unvollständig sind. Klischees bedient Selasi nicht. Stattdessen erweitert sie das Bild von Afrika um sechs faszinierende Charaktere.