Roman von Zakhar Prilepin
Sankya
Zakhar Prilepin zählt er zu den bedeutendsten russischen Gegenwartsautoren. Mit seinen fesselnden und direkten Romanen wird der 37-jährige als "angry young man" gefeiert - nicht nur in seiner Heimat: Die Bücher von Prilepin sind mittlerweile in 20 Sprachen übersetzt. Erstaunlich, dass er am deutschen Buchmarkt erst jetzt debütiert. "Sankya" heißt die erste deutsche Übersetzung.
8. April 2017, 21:58
Morgenjournal, 15.4.2013
Umgestürzte und brennende Autos, zertrümmerte Schaufenster, Schlagstöcke und Gummiknüppel krachen auf Köpfe, Stiefeltritte ins Gesicht. Die nicht bewilligte Demonstration in Moskau wird brutal niedergeschlagen. Mit einer drastischen Gewaltszene beginnt der Roman "Sankya". Sankya ist Mitglied einer militanten regimekritischen Gruppe. Ihr Ziel: eine Revolution. Nach den blutigen Krawallen muss Sankya aber zunächst flüchten - aufs Land zu seiner Mutter, die dort als Fabrikarbeiterin am Existenzminimum lebt.
Sankya ist ein radikaler Polit-Aktivist und ein fürsorglicher Sohn - ein verzweifelter, sensibler junger Mann, der auf die Repressionen des Staates mit Radikalisierung reagiert. Hart, direkt und schnörkellos erzählt Zakhar Prilepin Sankyas Geschichte.
"Es gibt einige biografische Parallelen", sagt Prilepin. "Ich bin auch zu Demonstrationen gegangen. Und auch meine Mutter hat - als Witwe und Krankenschwester - von einem miserablen Gehalt gelebt. Also: ich verstehe Sankya und teile seine Auffassungen, diese Proteststimme ist auch meine eigene. Aber es wäre vermessen, wenn ich sagen würde: Ich bin Sankya. Ich bin ein arrivierter Autor, in viele Sprachen übersetzt. Ich komme gerade von einer Lesereise in China, nächste Woche fahre ich nach Serbien und übernächste nach Norwegen."
Das New Yorker Magazin "Newsweek" feierte Prilepin als "jungen russischen Hemingway" und als "Sankya" anno 2006 in Moskau erschien, jubelte das russische Feuilleton: "Ein neuer Gorki ist geboren".
"Politischer Ziehvater" Limonow
Zakhar Prilepin kommt aus Nischni Nowgorod. Er studierte Literatur, trat der berüchtigten Polizeieinheit Omon bei und kämpfte als Kommandant 1996 in Grosny und im zweiten Tschetschenienkrieg 1999. Prilepin unterstützt Eduard Limonow und seine umstrittene und mittlerweile verbotene "Nationalbolschewistische Partei".
"Limonow gehört zu meinen politischen Ziehvätern, wobei ich heute in neun von zehn Fällen anderer Meinung bin", so Prilepin. "Er ist eine politische Ikone, eine umstrittene Figur, so wie Che Guevara. Limonow ist radikaler als ich, ich bin viel gelassener in politischen Dingen."
Prilepin bezeichnet sich als links-konservativ, mit dem Blogger Alexej Nawalny hat er die regierungskritische Bewegung "Das Volk" gegründet. Als Chefredakteur der liberalen "Nowaja Gazeta" in Nischni Nowgorod war er ein Mitstreiter von Anna Politkowskaja.
"In Russland gibt es rund 100 Millionen erwachsener Menschen und die sind einigermaßen zornig auf diese herrschende Kaste von Dieben und Betrügern", meint Prilepin. "Der Zorn reicht noch nicht aus, um dieses System zu beseitigen. Aber in Russland ist alles unvorhersehbar, die Gesellschaft kann jeden Moment explodieren. Vor 100 Jahren, 1913, ist das 300-jährige Regierungsjubiläum der Romanows gefeiert worden. Das ganze Volk hat mitgefeiert und vier Jahre später gab's die Revolution und noch einmal zwei Jahre später sind dieselben Romanows erschossen worden."
Hoffen auf einen friedlichen Machtwechsel
Am Ende des Romans stürmt Sankya mit seinen Freunden - ausgerüstet mit Maschinenpistolen und Megafon - den Sitz des Gouverneurs. Die letzte Szene zeigt ihn im Gebäude umstellt von Milizsoldaten. Der Gewalt abgeschworen hat Zakhar Prilepin: "Ich hoffe auf einen friedlichen Machtwechsel. Am liebsten wäre mir, wenn die Staatsmacht freiwillig abtritt, sich mit ihren Millionen nach Zypern vertschüsst und nicht mehr zurückkommt."
Service
Zakhar Prilepin, "Sanxya", aus dem Russischen übersetzt von Erich Klein und Susanne Macht, Matthes & Seitz Verlag