Marseille: Prozess um Brustimplantate

Im südfranzösischen Marseille beginnt heute der erste von drei Prozessen gegen der Hersteller von defekten Brustimplantaten der Marke PIP – ein 2010 aufgeflogener Gesundheitsskandal mit weltweiten Auswirkungen. Über 5.000 betroffene Frauen, auch aus Argentinien, Spanien, Deutschland oder Österreich, haben gegen den 73 jährigen Firmengründer Klage eingereicht.

Morgenjournal, 17.4.2013

Verunstaltete Opfer

Der 73-jährige Firmengründer Jean Claude Mas wird sich in diesem Mammutprozess zunächst einmal wegen schwerer Täuschung und Betrug verantworten müssen. Dominique Terrier, eines der Opfer, die sich nach einem Brustkrebs eine Prothese hatte einsetzen lassen, wird beim Prozess in Marseille zugegen sein: "Ich will aussagen über den moralischen und physischen Schmerz, den wir ertragen mussten. Wir sind verunstaltet – und nochmals operiert worden, es ist nicht einfach, all das zu überstehen."

Millionen ergaunert

15 Jahre lang hat Firmenchef Mas um neun Zehntel billigeres Industrie-Gel für Brustimplantate verwandt, das sich als rissanfällig herausstellte und sich wie Leim im Körpergewebe verbreitete, zu schweren Entzündungen und Schwellungen der Lymphknoten führte. "Mir tat alles nur noch weh", erinnert sich Dominique Terrier, die sich wie die Hälfte der 30.000 betroffenen Französinnen die Implantate hat wieder entfernen lassen. Frauen, die die Prothesen bis heute behalten haben, fehlen meist die finanziellen Mittel. Weltweit, so schätzt man, könnten rund 500.000 Frauen von den kriminellen Praktiken des PIP-Chefs betroffen sein, der auf diese Art jährlich mehr als eine Million Euro Materialkosten sparte. Er hat zugegeben, den deutschen TÜV, der für die Zulassung der Prothesen in ganz Europa zuständig war, systematisch hinters Licht geführt zu haben.

Entschädigung unklar

Mas und drei Mitangeklagten drohen bis zu fünf Jahre Haft und ein weiterer Prozess wegen fahrlässiger Körperverletzung und Tötung, denn eventuell könnte das für Matratzen und Computer bestimmte Billig-Gel auch krebserzeugend gewesen sein.

Völlig unklar ist, ob und wie die Opfer finanziell entschädigt werden können. Denn PIP, die kriminelle Firma, ist pleite, Versicherungen weigern sich bislang zu zahlen. Und Opfervereinigungen beklagen, dass weder die französische Gesundheitsbehörde noch Chirurgen auf der Anklagebank sitzen und der für die Zulassung der Prothesen zuständige TÜV Rheinland, wie die Frauen auch, in diesem Verfahren sogar als Kläger auftritt.