Pakistan: Korruption und die Enerigekrise

In Pakistan konnten der neue Regierungschef Nawaz Sharif und seine Partei bei den Parlamentswahlen eine deutliche Mehrheit erringen. Die wahre Herkules-Aufgabe steht ihm jetzt bevor. Eine Reihe von Reformen sind dringend notwendig, um das Land vor dem Kollaps zu bewahren. Die Themen Bildung, Sicherheitslage und Energieversorgung stehen an oberster Stelle.

Mittagsjournal, 13.05.2013

Aus Islamabad,

Kein Strom, keine Industrie

Punkt 1: die Energiekrise: In der gestrigen Ausgabe der pakistanischen Tageszeitung „Dawn“ findet sich auf Seite drei eine Schlagzeile, die die ganze Misere in einen Satz fasst. Da steht: In den nächsten 24 Stunden wird es landesweit zu keinen Stromabschaltungen wegen Energiemangels kommen. Denn die Normalität hier in Pakistan ist, dass es am Land nur ein bis zwei Stunden Strom am Tag gibt; in den Städten – inklusive der Hauptstadt Islamabad - maximal acht Stunden. Unter diesen Umständen ist im 21. Jahrhundert an eine produktive Wirtschaft nicht zu denken, so Britta Petersen. Sie ist die Leiterin der Heinrich Böll Forschungsstiftung in Islamabad: "Industrie haben deshalb geschlossen, weil sich nicht mehr konkurrenzfähig sind. Man kann im Grunde genommen nur noch eine Industrie betreiben, wenn man Generatoren hat, was die Produktionskosten erheblich verteuert. Das hat dazu geführt, dass die Wirtschaft de facto nicht mehr wächst. Arbeitslosigkeit ist sehr weit verbreitet."

Kraftwerke auf Gas umgestellt

Der Grund für die Stromknappheit ist ein totales Versagen der Politik in den vergangenen Jahrzehnten. Vor rund zwanzig Jahren hat man einen großen Teil der Kraftwerke, aber auch des Autoverkehrs auf Erdgas umgestellt; wohl wissend, dass die landeseigenen Vorräte in ein paar Jahrzehnten erschöpft sein werden. Und genau an diesem Punkt ist man jetzt angelangt. Es gibt zwar genug Kraftwerkskapazitäten, um das Land zu versorgen, aber zu wenig Gas, um die Kraftwerke zu betreiben, sagt Younis Binery, Chef Kraftwerkskoordinator Pakistans: "Wenn Sie Gaskraftwerke haben, aber nicht das Gas, um sie zu versorgen, verteuert das die Energie erheblich. Dann brauchen Sie Ölkraftwerke, aber Öl ist fünf Mal teurer.

Korruption verhindert Ausbau

Das Problem dabei: Gas kann aufgrund fehlender Pipelines nicht einfach importiert werden. Dazu kommt, dass auch das Leitungsnetz teilweise höchst marod ist. Die Modernisierung und der Ausbau der Stromwirtschaft scheitern bis dato aus zwei Gründen: erstens an der Korruption: Es sind – zumindest offiziell - Milliardenbeträge in die Infrastruktur geflossen. Tatsächlich ist das Geld aber in den Taschen korrupter Politiker und Beamter verschwunden. Und zweitens hat auch die Bevölkerung selbst erhebliche Mitschuld. Stromdiebstahl ist die Regel und nicht die Ausnahme.

Fast die Hälfte kann nicht lesen und schreiben

Punkt 2: die Bildung. Nur 55 Prozent der Menschen hier können lesen und schreiben. Der Altersschnitt der pakistanischen Bevölkerung liegt bei 21 Jahren. Für Professor Fateh Muhammad Burfat, Soziologe an der Universität Karachi, ist klar warum das so ist: "Wir geben nur zwei Prozent des Budgets für Bildung aus, weniger als zwei für die Gesundheitsversorgung – aber 70 Prozent fürs Militär. Pakistan hat das Humankapital. Es muss nur genutzt werden. Aber das geht nicht ohne gute Schulen, das geht nicht ohne eine gute Bildungs-Grundversorgung."

Sicherheitslage angesichts der Taliban

Das katastrophale Schulsystem ist – in Union mit der maroden Wirtschaft – eine höchst explosive Mischung, denn die Menschen haben das Gefühl hier keine Perspektive zu haben. Und das führt direkt zum dritten Punkt, der Sicherheitslage. Hier gibt es im Gegensatz zu vielen anderen Themen keine relativ einfachen Rezepte, wie man die Situation verbessern kann. Natürlich über Bildung und natürlich über das Ankurbeln der Wirtschaft. Denn nur wenn die rasant wachsende Bevölkerung mit genügend Arbeitsplätzen versorgt ist, werden Taliban und Co bei der jungen Landbevölkerung an Attraktivität einbüßen. Aber das wird nicht reichen.

Zentrum des Terror-Nachwuchses

Ein Ziel der neuen Regierung wird es sein müssen, zu helfen, die Situation im Nachbarland Afghanistan zu verbessern. Denn die Grenzregion ist ein Zentrum des Terror-Nachwuchses.

Und es wird auch notwendig sein auch den eigenen Sicherheitsapparat zumindest teilweise in den Griff zu bekommen. Denn Teile der Armee und der Geheimdienste sind an einem friedlichen Pakistan nicht besonders interessiert, fehlt ihnen dann ja die Geschäftsgrundlage.