Wiener Palais werden zu Luxus-Hotels
In den letzten Jahren haben mehrere Hotelketten in Palais an der Wiener Ringstraße Dependancen eröffnet - zuletzt das Hotel Kempinski im Palais Hansen am Schottenring, das vom Architekten Boris Podrecca umgebaut und für den Luxushotel-Betrieb adaptiert wurde, sowie das Hotel Sans Souci neben dem Volkstheater.
8. April 2017, 21:58

Hotel Sans Souci
(c) Neubauer, APA
Im Zuge des Umbaus wurden die Dachgeschoße aufgestockt und als hochpreisige Apartments veräußert. Der Ringstraßenstil wird dabei als unverwechselbares Wiener Markenzeichen inszeniert und vermarktet.
Kulturjournal, 13.05.2013
Weiß gestrichen und generalüberholt strahlt das Hotel Sans Souci. Es befindet sich am inneren Rand des siebten Bezirks, gleich neben dem Museumsquartier und dem Volkstheater. Errichtet wurde das Bauwerk als Hotel für die Weltausstellung 1873. Durch eine Silvesterrakete ausgelöst, zerstörte ein Brand Teile des Gebäudes. Danach wurde es von einer Versicherung als Bürohaus genützt. Der Besitzer und Geschäftsführer des Hotels, Norbert Winkelmayer, führt durchs Haus: "Das ist die Lobby, Concierge und Rezeptionsdesk. Und das ist der Zugang zu den Liften für die Residence Owner und die Hotelgäste."
Die "Residence Owner" sind jene Menschen, die Eigentumswohnungen in den oberen Stockwerken bewohnen. Der Zugang zu den Apartments ist vom Hotelbereich abgetrennt, Einrichtungen wie der Spa-Bereich mit Sauna und Schwimmbecken können sie mitbenutzen. Die Inneneinrichtung unterlag einem Team rund um den Stardesigner Philip Starck.
Wir betreten eine Suite von etwa 80 Quadratmetern. Cross-over Stilmix – so nennt Winkelmayer die Einrichtung: vergoldete Antiquitäten-Möbel, Design-Klassiker aus den 1960er Jahren, Perserteppiche und in jeder Suite Original-Kunstwerke von Roy Lichtenstein, Pablo Picasso und anderen. Die Kunstwerke sind aus Winkelmayers Privatsammlung. Sämtliche Doppelflügel-Türen und Kastenfenster wurden nachgebaut. Das ganze Gebäude musste entkernt werden, erzählt der Besitzer. Erleichtert wurde der Umbau durch den Umstand, dass das Gebäude von seiner Typologie her als Hotel geplant worden war.
Palais Hansen
Auch das Palais Hansen, das seit März von der Kempinski-Gruppe als fünf-Sterne-Hotel betrieben wird, wurde ursprünglich als Hotel für die Weltausstellung 1873 entworfen. Jedoch wurde es aufgrund der Weltwirtschaftskrise nie als solches eröffnet, sondern als Zinshaus genützt.
Die Fassade und Teile des Inneren stehen unter Denkmalschutz, so auch die Säulenhallen. Gekauft und umgebaut wurde es von einer Investorengruppe, zu der auch die Wiener Städtische Versicherung gehört. Christine Dornaus ist im Vorstand der Wiener Städtischen verantwortlich für die gesamte Veranlagung. Sie empfängt uns an der Rezeption. "Da war die Idee, die Rezeption verschwinden zu lassen", so Dornaus, und so ist die Rezeption hinter Säulen versteckt.
Auch im Palais Hansen wird Wert darauf gelegt, dass es ein Wiener Hotel ist, was sich auch in der Architektur ausdrücken soll. "Erst im Zuge der Ausschreibung und des Verkaufes durch die Stadt Wien ist dann dieser Begriff Palais Hansen in den Vordergrund gerückt worden", sagt Dornaus. "Die Fassade ist original, jetzt wieder restauriert. Da ist schon auch einiges von Hansen da, Podrecca und Hayde."
"Es war eine sehr komplexe Arbeit", sagt der Architekt Boris Podrecca, der sich mit den Originalplänen des Architekten Theophil Hansen befasst hat. "Was aber merkwürdig ist und für uns eine Entdeckung war, dass dieses Palais eine Collage aus acht Modulen ist. Jedes hat eine eigene Stiege und einen eigenen Hof."
Der Vorteil des von Hansen geplanten Modul-Systems ist, dass das Palais für verschiedene Funktionen adaptiert werden kann. Das wird auch durch die Raumhöhen ermöglicht - eine Eigenschaft, die allen Ringstraßen-Palais gemeinsam ist. Podrecca, in dessen Studentenzeit die prunkvoll dekorierten Paläste aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts als Potemkinsche Bauten verpönt waren, bezeichnet die Bauwerke heute als multifunktional und damit moderner, als was heute gebaut wird.
Als Wohnhäuser errichtet
Die Ringstraßen-Palais wurden zu einem großen Teil als Wohnhäuser einer erstarkenden bürgerlichen Gesellschaft errichtet. Architekt Stefan Gruber erinnert an die stadthistorischen Umstände des Großprojekts Ringstraße: "Die ursprüngliche Ringstraßenentwicklung erfolgte als das, was man heute PPP nennen, es war ein ganz starkes Immobiliengeschäft dahinter. Aber der Verkauf von Grundstücken für teure Wohnungen wurde in einen Fonds gelegt, mit dem kulturelle Bauten finanziert wurden. Tatsächlich sind das die Bauten, an die man denkt - gebaut wurden als öffentliche Einrichtungen."
Zu diesen öffentlichen Einrichtungen gehören das Rathaus und das Parlament, Kulturstätten wie das Burgtheater und das Volkstheater, die Universität, aber auch öffentliche Freiräume wie der Stadtpark und der Volksgarten, also Einrichtungen, die heute wesentlich zur Lebensqualität am Ring beitragen.
"Die Ambition des Projektes, die Intention war eine soziale", sagt Gruber. "Das finde ich schon sehr spannend. Wenn man darüber nachdenkt - die Ringstraße steht repräsentativ für Wien - fände ich es wichtiger, dass man sich nicht mit der architektonischen Gestaltung der Fassaden beschäftigt, sondern man geht einen Schritt weiter - Liberalisierung und Demokratisierung von Wien."
Kein Nutzen für die Öffentlichkeit
Wenn heute mit der Verwertung von Ringstraßen-Palais Umsatz gemacht wird, dann fließt davon kaum etwas an die Öffentlichkeit zurück, kritisiert Stefan Gruber. Die revitalisierenden Maßnahmen, die Investoren und Bauherren ihren Hotel-Projekten zuschreiben, greifen nur sehr oberflächlich.
Christine Dornaus von der Wiener Städtischen, Miteigentümerin des Palais Hansen, meint bereits, positive Auswirkungen auf das Stadtleben ausmachen zu können, einige Leute kämen von der U-Bahn hierher. Ins Hotel essen kommen, das können sich nicht besonders viele Menschen leisten. Gastronomische Einrichtungen an Orten, wo es davor keine gab, bedeutet nicht für alle eine Verbesserung des Stadtlebens. Für eine solche bräuchte es Maßnahmen, die Konsumpflicht nicht voraussetzen, Parks oder andere für alle frei verwendbare Bereiche.