Eine kurze Geschichte der Innovation

Wo gute Ideen herkommen

Es sind nicht die "Heureka!"-Momente, denen wir die größten Innovationen der Menschheitsgeschichte zu verdanken haben. Steven Johnson räumt mit dem Mythos der spontanen Geistesblitze auf und zeigt vielmehr, wie aus Ahnungen -langsam aber sicher - nachhaltig erfolgreiche Ideen werden.

Was haben ein Korallenriff, eine Großstadt und das World Wide Web gemeinsam? Alle drei schaffen Umweltbedingungen, die Innovationen fördern bzw. beschleunigen. So wie die tierischen Bewohner eines Riffs zwangsläufig zusammenarbeiten müssen, um in der kargen Natur zu überleben, wird auch in Großstädten und im World Wide Web die wichtigste aller Ressourcen unweigerlich weitergegeben, neu verknüpft und wieder verarbeitet: Information.

Hier folgt gleich die erste Aufforderung an den Leser: Wer Innovationen fördern will, ist besser beraten, Ideen zusammenzuführen, anstatt sie vor den Blicken anderer zu schützen.

Die langsame Ahnung

Darauf aufbauend beschreibt der Autor sieben Muster, die Kreativität und Ideenfreude fördern, und beginnt eine Reise durch die Geschichte der naturwissenschaftlichen und technologischen Innovationen der Menschheitsgeschichte.

Nachdem der Autor das Potenzial von naheliegenden Ressourcen und kommunikationsfreundlichen Büroräumen erläutert, geht es bereits im dritten Kapitel dem spontanen Geistesblitz an den Kragen: In "Die langsame Ahnung" nennt Johnson zahlreiche Beispiele von Wissenschaftlern, die ihre Ideen über Jahre und Jahrzehnte mit sich herumtrugen, bevor sie daraus eine konkrete Innovation machen konnten.

Unter ihnen Joseph Priestley, dessen Entdeckung des Sauerstoffs und der pflanzlichen Atmung schließlich zur Beschreibung der Photosynthese geführt haben. Zwischen dem ersten Ideenfunken und dem tatsächlichen Experiment lagen im Fall des englischen Wissenschaftlers ganze zwanzig Jahre.

Der Zufall

Ohne glückliche Zufälle kommt jedoch auch die Geschichte der Innovation nicht aus. Doch diese "Serendipität" – ein wenig holprig vom englischen "serendipty" abgeleitet - will kultiviert sein. Denn um zufällig über eine geniale Idee zu stolpern – sei es im Archiv, im Internet oder im eigenen Unbewussten – müssen die Grundzüge der Idee bereits vorhanden sein und wir müssen die Möglichkeit bekommen, unseren Spürsinn zu aktivieren. Um dem Zufall effizient auf die Sprünge zu helfen, plädiert Steven Johnson für offene Netzwerke, vor allem in Instituten und Unternehmen.

Der missglückte Versuch

Auch dem Irrtum und der Zweckentfremdung sind in Johnsons Buch "Wo gute Ideen herkommen" ganze Kapitel gewidmet. Sie zeigen, dass etwa der missglückte Versuch des amerikanischen Erfinders Lee de Forest, drahtlose Telegraphie zu ermöglichen, zur Entwicklung der gasgefüllten Audion-Röhre geführt hat, die wiederum die Entwicklung von Radio, Fernsehen und schließlich Computern möglich gemacht hat.

Oder dass Johannes Gutenberg die Druckerpresse nicht erfunden, sondern schlicht eine Spindelpresse aus der Weinproduktion mit vorhandenen Bestandteilen umgebaut und so im besten Sinn zweckentfremdet hat.

Steve Johnson schließt mit einem Plädoyer für die nicht-marktorientierte Innovation. Er spricht sich für die Förderung von Grundlagenforschung und gegen einen allzu starken Fokus auf anwendungsorientierte Forschung aus.

Der Weg zur Idee

Auf den 300 Seiten hat der Wissenschaftsjournalist Steven Johnson fast alles zusammengetragen, was es zur Geschichte und den Entstehungsbedingungen von bahnbrechenden Innovationen zu sagen gibt. Allein die Kunst, Kultur- und Sozialwissenschaften kommen in dem spannend geschriebenen Buch zu kurz.

Dass es sich bei "Wo gute Ideen herkommen" nicht um einen Ratgeber im klassischen Sinn handelt, schadet dem Buch dagegen überhaupt nicht. Und die wenigen Empfehlungen, die der Autor seinen Lesern mitgibt, sind durchwegs in die Tat umzusetzen: Gehen Sie spazieren; machen Sie sich Notizen; legen Sie sich Hobbys zu, die Ihren Horizont erweitern; setzen Sie sich ins Kaffeehaus und reden Sie mit anderen Leuten; lassen sie andere auf Ihren Ideen aufbauen und tun Sie das Gleiche: So erfinden Sie neu.

Service

Steven Johnson, "Wo gute Ideen herkommen. Eine kurze Geschichte der Innovation", aus dem Englischen von Michael Pfingstl, Scoventa Verlag

Scoventa Verlag