Reisetagebuch des Franz Ferdinand von Österreich-Este

Die Eingeborenen machten keinen besonders günstigen Eindruck

Erzherzog Franz Ferdinand ist uns vor allem durch ein Ereignis in Erinnerung geblieben: das Attentat von Sarajewo, das schließlich zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs führte. Doch was wissen wir über sein Leben davor?

Einen hervorragenden Einblick in die Psyche des Thronfolgers bietet das nun wieder entdeckte Tagebuch seiner "Reise um die Erde 1892-1893". Der deutsche Journalist Frank Gerbert hat das Original in einer gekürzten, kommentierten und mit Fotografien ergänzten Fassung neu herausgegeben.

Auf seiner Weltreise rauchte Erzherzog Franz Ferdinand Opium, ließ sich tätowieren und erkrankte an Malaria, vor allem aber offenbart er durch seine teilweise unfreiwillig komischen Schilderungen seinen wahren Charakter.

Von Ehrgeiz besessen

Die erste Eintragung ins Reisebuch seiner "Wanderung um die Erde" erfolgt am 15. Dezember 1892. Fast ein Jahr wird er unterwegs sein. Die Reise wird ihn von Triest nach Ägypten, Sri Lanka, Indien, Singapur, Indonesien, Australien, zu diversen Südsee-Inseln, nach Japan, Kanada und Nordamerika und wieder zurück nach Wien führen.

Der Selbstmord von Kronprinz Rudolf drei Jahre zuvor hatte den "Ehrgeiz des Thron-Reservisten" schlagartig erwachen lassen. Franz Ferdinand von Österreich-Este war davon besessen, seine kaiserlichen Verwandten in allen nur erdenklichen Sparten zu übertreffen.

Luxus pur

Auf seiner Bildungsreise durfte es an nichts fehlen. Franz Joseph genehmigte und finanzierte das hochmütige Vorhaben und stellte sogar das modernste Schiff der k.-u.-k.-Kriegsmarine zur Verfügung: den Torpedorammkreuzer "SMS Kaiserin Elisabeth" mit gut 400 Mann Besatzung und einer etwa 20-köpfigen Reisegesellschaft. Vielleicht wollte er den ruhmsüchtigen Neffen auch einfach nur eine Zeit lang loswerden. Umgekehrt dürfte die Liebe zum Onkel, dem Kaiser, auch nicht besonders ausgeprägt gewesen sein. Ein anlässlich seiner späteren Hochzeit getätigter Ausspruch scheint dies zu bestätigen:

Rassistisch und sexistisch

Doch zurück zur Weltreise. Ein bizarrer Zeitgenosse ist da unterwegs: ehrgeizig, misstrauisch, spöttisch. Die meisten Völker finden keine Gnade vor seinen markanten, hellblauen Argusaugen. Selbst Landschaften werden mit einer herben Mischung aus Ignoranz und Vorurteil mies gemacht. Fazit: Die Welt ist durchaus interessant, aber in Österreich ist's halt am allerschönsten!

Natürlich darf man beim munteren Studieren des erzherzöglichen Gedankenflusses nie außer Acht lassen, dass man hier keine intimen Geständnisse vor sich hat. Vielmehr handelt es sich um einen wohl kalkulierten Text, der zwei Jahre nach Beendigung der Reise veröffentlicht wurde. Selbst die strenge Lektoratsarbeit seines Lehrers Max Wladimir Freiherr von Beck konnte allerdings nicht verhindern, dass die Schilderungen freimütig und sehr lebendig blieben. So offenherzig, dass Gedankengut frei wird, das wir zumindest heute als rassistisch und sexistisch bezeichnen.

Weltrekord im Tiere-töten

Ein weiterer widerwärtiger Teil von Franz Ferdinands Welt-Begutachtung betrifft seine prahlerisch zur Schau gestellte Tötungslust. Auf nahezu jedes Wildtier, das unglücklicherweise den Pfad seiner Reise kreuzte, wird ohne zu zögern drauflos geschossen. Der geltungssüchtige Schnurbartträger mit der "maßlosen Leidenschaft" wollte es unbedingt zum Waidmann mit der höchsten Abschusszahl aller Zeiten bringen. Unglaubliche 247.899 von ihm im Laufe seines Lebens getötete Tiere sind höchstwahrscheinlich heute noch Weltrekord.

Kaum Positives vermerkt

Phasenweise erinnert Franz Ferdinand an den legendären Travnicek. Dem fehlenden "rhythmischen Gefühl" indischer Musikanten kann er ebenso wenig abgewinnen wie den schwarz gefärbten Nasen tibetischer Witwen oder dem "misstrauischen und hinterlistigen Charakter der Chinesen".

In die Rubrik "Positives" schafft es herzlich wenig. Ausnahmen bilden beispielsweise die Erhabenheit des Himalaya, die "Staatskunst und Colonialpolitik" der Engländer in Indien oder die hübschen Holländerinnen auf Java.

Wer eine Reise tut, hat nicht nur etwas zu erzählen, sondern bringt auch gerne ein Souvenir mit. Neigt man zum Größenwahn, können es auch 14.000 sein. Die von Franz Ferdinand gesammelten ethnologischen Objekte sind nach wie vor im Wiener Völkerkunde-Museum, das seit kurzem Welt-Museum heißt, zu besichtigen. Das nun vorliegende Buch eröffnet faszinierend direkte Einblicke in die gedanklichen Abgründe eines reaktionären Aristokraten, der wenigstens einmal in seinem Leben über den Tellerrand geschaut hat, wenn auch nur, um seine Vorurteile zu bestätigen. Ein möglicher Untertitel seines bemerkenswerten Berichtes könnte demnach auch lauten: "Tagebuch eines Ekels".

Service

Franz Ferdinand von Österreich-Este, "Die Eingeborenen machten keinen besonders günstigen Eindruck. Tabebuch meiner Reise um die Erde 1892-1893", herausgegeben, eingeleitet und kommentiert von Frank Gerbert, Verlag Kremayr und Scheriau

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