Venedig: Goldener Löwe an Maria Lassnig

Bei der Kunstbiennale in Venedig werden heute Mittag die Künstlerinnen Maria Lassnig und Marisa Merz mit dem Goldenen Löwen für ihr Lebenswerk ausgezeichnet.

Für Österreich ist das nun schon zum zweiten Mal in Folge ein großer Auftritt in Venedig, nachdem bei der letzten Biennale 2011 der im Vorjahr verstorbene Österreicher Franz West den Goldenen Löwen für sein Lebenswerk erhalten hat.

Fraglich ist, ob die 93-jährige Maria Lassnig schon zu gebrechlich ist, um die Trophäe in Venedig persönlich in Empfang zu nehmen.

Lassnigs farbenfrohe großformatige Selbsportraits schmücken derzeit den Hauptpavillion in den Giardini. Unter anderem das Gemälde "Du oder ich", aus dem die Betrachter eine nackte, alte Frau anblickt; die Brüste schlaff, der Bauch faltig. In den Händen hält sie zwei Pistoeln: eine zielt auf den Betrachter, die andere auf die eigene Schläfe. Mit soviel einergiegeladener Frische und Radikalität hat Lassnig sogar noch in ihrem Alterswerk gnadenlos ausgedrückt, wie sie sich fühlt.

Auf anderen Bildern hat sie sich verbogen oder verzerrt, als Klumpen oder als Zitrone gemalt. Sie male nur, was sie fühlen könne, sagte sie über ihre Kunst.

Diese "Körperbewusstseinsmalerei" ist Lassnigs Lebensthema. Heute ist es der Grund, warum sie mit dem Goldenen Löwen ausgezeichnet wird: sie passt perfekt in das diesjährige Biennale-Motto "Der enzyklopädische Palast". Wie Massimiliano Gioni sagt, habe sie mit ihrer Malerei eine Enzyklopädie ihres Selbst erstellt.

Mit ihrer Malerei konnte sich Maria Lassnig nach dem Krieg nur schwer durchsetzen und erreichte den Gipfel ihres Ruhms erst sehr spät. Erst als sie nach mehreren Parisaufenthalten und einer Zeit in New York 1980 nach Österreich zurückkam, gelang ihr der Durchbruch. Es folgten Teilnahmen an der Biennale in Venedig und der Documenta 7 und 10 in Kassel.

Seit einer Ausstellung, die 2008 in der renommierten Serpentine Gallery in London stattfand, wird Lassnig in einem Atemzug mit der Grande Dame der Bildenden Kunst, mit Louise Bourgeois genannt. Auf die Frage, warum sie so langsam Karriere gemacht habe, sagte Lassnig anlässlich eines Interviews zu ihrer Ausstellung 2009 im MUMOK als 90-Jährige: "Ich bin einfach kein Karrieremensch. Ich male, damit ich mich selbst freue".

Denkt man an andere große Frauen der Bildenden Kunst wie Louise Bourgeois oder Carol Rama, so scheint eine späte internationale Karriere fast typisch zu sein für weibliche Künstlerbiografien.

Textfassung: Joseph Schimmer