Gebrauchsanleitung zum jüdischen Humor
Mandelbaum an der Riviera
"Der Witz ist die letzte Waffe des Wehrlosen", charakterisierte Sigmund Freud den jüdischen Humor. Mehr als ein Jahrhundert später wird immer noch versucht, diesem Phänomen auf den Grund zu gehen. Mit "Mandelbaum an der Riviera" präsentieren die Herausgeber einen "Crashkurs" in punkto jüdischer Humor.
8. April 2017, 21:58
Darf ein Goj jüdische Witze erzählen?
"Treffen sich der Kohn, der Grün und der Mandelbaum...". Schon hier stellt sich die Frage, ob man überhaupt weitererzählen darf? Denn, so warnen die Herausgeber gleich im Vorwort, als Nicht-Burgenländer könne man Burgenländer-Witze erzählen, ohne geschmacklos zu sein. Beim jüdischen Witz sei das Parkett schon wesentlich glatter. Der Juden-Witz aber ist und bleibt tabu.
Wenn man so will, dann hat sich auch der "Salon Vienna" mit seinem Vorhaben, den jüdischen Humor zu ergründen, auf glattes Parkett begeben. Zu den bekannten Vorreitern in diesem Feld zählt etwa Salcia Landmann. Die Schweizer Schriftstellerin und Journalistin veröffentliche 1960 mit "Der jüdische Witz. Soziologie und Sammlung" ein umfassendes Kompendium an jüdischen Schnurren und Scherzen. Vehement kritisiert wurde sie dafür von niemand Geringerem als dem österreichischen Schriftsteller Friedrich Torberg, dem Schöpfer der durchaus humoristischen Tante Jolesch. In seinem Essay "Salcia Landmann ermordet den jüdischen Witz" nahm er die Sammlung Pointe für Pointe bzw. Nicht-Pointe für Nicht-Pointe auseinander. Am Ende blieben von Landmanns Sammlung nur noch antisemitische Klischees.
Dass die Analyse des Erfolgsrezepts von jüdischen Witzen einen schmalen Grat darstellt, ist den Herausgebern von "Mandelbaum an der Riviera" durchaus bewusst.
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Aber Vereinheitlichung und Schubladensysteme dienen nun mal der Reduktion von Komplexität, und daran ist per se noch nichts Böses - es kommt eben auf die Schubladen an, die man für solche Fälle bereithält. In der Deckungsgleichheit zwischen den Eigenschaften jüdischen Humors und den "typisch jüdischen" Eigenschaften dürfte einer der Schlüssel zum Geheimnis des jüdischen Humors liegen. Ein weiterer Schlüssel ist die viel zitierte Rolle des jüdischen Witzes als Überlebensnotwendigkeit, besser bekannt als Galgenhumor. Über viele Jahrhunderte war der Witz die einzige und unentbehrliche Waffe der Juden.
Witze über Antisemitismus
Der Vergangenheitsbewältigung will sich das Buch nicht widmen. Der "Salon Vienna" - eine Plattform, die ein zeitgemäßes Verständnis des Judentums, der jüdischen Kultur und Identität vermitteln möchte - sucht vielmehr einen geschichtsentlasteten Zugang zum Thema.
Antisemitismus wird im jüdischen Witz natürlich trotzdem angesprochen, wenn auch nur der eingebildete und nicht der real vorhandene. Der traurige Hintergrund ist, dass einige Juden - aufgrund traumatisierender Erlebnisse aus der Vergangenheit - immer und überall Antisemitismus vermuten.
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"Schmuel, was hast du im Radiogebäude gemacht?"
"Mi-mi-mich u-um die Sch-sch-stelle des A-a-a-ansagers beworben."
"Und? Hast du sie bekommen?"
"N-n-nein! Da-das s-sind alles A-a-antisemiten!"
Dass solche Witze aus dem Mund von Gojim, von Nicht-Juden, ihre Pointe einbüßen, liegt auf der Hand.
Gojim aufs Korn nehmen
Welche Witze kann man nun, ohne geschmacklos zu sein, erzählen? Und vor allem, wie gelingt der Vortrag? Der Anleitung zum gekonnten Witzeerzählen schicken die Herausgeber mahnende Beispiele voran: Der Schwafler, der einen Vierzeiler in einen Roman verwandelt; der Pointen-Prognostiker, der den eigentlichen Höhepunkt dem Witz voranstellt; der Alberne, den der eigene Witz so amüsiert, dass er vor lauter Lachen nicht mehr reden kann; und der Vergessliche, dem nach langen Nachdenkpausen dann doch nur der halbe Witz einfällt.
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Was die Zuhörer wirklich wollen, ist nicht nur, den Witzeerzähler mit ihrem Lachen zu belohnen, sondern auch und vor allem sich selbst. Sie klopfen sich innerlich auf die Schulter und applaudieren immer auch sich selbst, dass sie klug genug waren, die Pointe zu verstehen. Das heißt im Klartext: Das Publikum will weder über- noch unterfordert werden. Je größer die "Eigenleistung" an der Pointe, desto größer der Lacher.
Will man also einen jüdischen Witz erzählen, dann sollte man sich immer fragen, ob der Empfänger einen Bezug zu dem Thema hat bzw. ob sich jemand persönlich angegriffen fühlen könnte, so der Ratschlag des "Salon Vienna". Ob Gojim, also Nicht-Juden, nun jüdische Witze erzählen dürfen oder nicht, ist auch nach der Lektüre dieses Crashkurses nicht ganz klar. Vielleicht sollten sie sich auf jene Episoden beschränken, in denen sie selbst aufs Korn genommen werden. Solche Witze sind etwa im Kapitel "Interkonfessionelles" versammelt.
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Mendels ältester Sohn ist zum Christentum konvertiert. Der fromme jüdische Vater ist verzweifelt und weiß nicht, was er tun soll.
Da spricht Gott zu ihm: "Was weinst du, Mendel?"
"Soll ich etwa nicht weinen? Mein Sohn hat sich taufen lassen!"
"Aber Mendel, meiner doch auch!"
"Und - was hast du gemacht?"
"Ein neues Testament."
Jüdische Autoren zitiert
Wenn mit "Crashkurs" kurz und bündig gemeint ist, dann trifft der Untertitel des kleinformatigen, knapp 120 Seiten umfassenden Büchleins ins Schwarze. Neben kurzen satirischen Texten von bekannten jüdischen Autoren wie Peter Altenberg oder Kurt Tucholsky, ist "Mandelbaum an der Riviera" in erster Linie eine Witzesammlung. Über die Ursprünge und das Wesen des jüdischen Humors erfährt der Leser relativ wenig - gesetzt den Fall, dass diese überhaupt ergründbar sind. Der österreichische Schriftsteller und Kulturhistoriker Egon Friedell, der in "Mandelbaum an der Riviera" auch zu Wort kommt, bringt die Schwierigkeit auf den Punkt:
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Was Humor ist, das hat wohl noch niemand zu erklären vermocht, und ich glaube, schon der bloße Versuch, diesen Begriff näher bestimmen zu wollen, ist ein Beweis von Humorlosigkeit, weshalb ja auch hauptsächlich Universitätsprofessoren sich mit dieser Aufgabe beschäftigt haben.
Das Bändchen im Klappentext bereits als Kultbuch zu bezeichnen, erscheint bei einer Erstauflage ein wenig verfrüht. Wer Satire mag, kommt in jedem Fall auf seine Kosten. Von Witzen und Schwänken über Essen, Sex oder Verwandtschaft bis hin zur Beschneidung ist alles dabei - auch Lacher, die einem im Hals stecken bleiben. Gemäß der Analyse des deutschen Schriftstellers Kurt Tucholsky: Was darf Satire? Alles.
Service
Salon Vienna (Hg.), "Mandelbaum an der Riviera", Mandelbaum Berlag