Kroatien: Literatur zum EU-Beitritt

Am 1. Juli tritt Kroatien als 28. Mitglied der EU bei. Aus diesem Anlass präsentierte die Literaturzeitschrift "Podium" gestern Abend ihre aktuelle Ausgabe zum Thema kroatische Literatur.

Mit Ivana Sajko und Goran Fercec waren auch zwei der renommiertesten Gegenwartsautoren des Landes angereist. Und die hatten einiges über die Lage der kroatischen Schriftsteller und die Situation im Land am Vorabend des EU-Beitritts zu berichten.

Mittagsjournal, 29.6.2013

Seit Tagen werde im Zentrum Zagrebs schon der EU-Beitritt gefeiert, erzählt Ivana Sajko. Zuletzt hätte da etwa eine deutsche Supermarktkette die Massen verköstigt und für Volksfeststimmung gesorgt. Die Atmosphäre täusche aber, denn seit dem Regierungswechsel 2011, als die Sozialdemokraten mit einem Erdrutschsieg die konservative demokratische Union ablösten, habe sich die katastrophale wirtschaftliche Situation nicht verbessert.

Ivana Sajko: "Das Wirtschaftsprogramm der Linken und der Rechten unterscheidet sich nicht und deshalb hat sich nichts verändert. Die großen staatlichen Betriebe sind in Konkurs gegangen, 51 Prozent der jungen Leute sind arbeitslos und es gibt keine Statistiken darüber, wie viele Menschen derzeit arbeiten, ohne Löhne ausbezahlt zu bekommen."

Vom EU-Beitritt erhofft man sich eine Stabilisierung der Lage. An anderer Front hingegen haben allein schon die Beitrittsverhandlungen für eine positive Entwicklung gesorgt, so Ivana Sajko: "Es hat etwa die Toleranz gegenüber Homosexuellen zugenommen und auch wenn die Rechten irgendwelche rassistischen Vorurteile vom Stapel lassen, gibt es jetzt sofort heftige Debatten und das ist eine sehr wichtige Entwicklung."

Kleiner Markt Kroatien

Gerade was Vergangenheitsbewältigung und die Solidarität mit Randgruppen betrifft, spielt die Literatur eine wichtige Rolle. Mit seinen nur vier Millionen Einwohnern ist der kroatische Markt aber so klein, dass Schriftsteller auf Übersetzungen und den Verkauf ihrer Werke im Ausland angewiesen sind. Die staatliche Unterstützung der Autoren hält sich nämlich in Grenzen, so Goran Fercec: "Mein aktuelles Buch wurde letztes Jahr vom Kulturministerium unter die zehn besten kroatischen Romane gewählt. Als ich dort aber anfragte, ob sie mir eine Reise nach Wien zahlen, damit ich mein Buch hier promoten kann, hatten sie dafür kein Geld. Bei jedem Schritt, den man macht, stolpert man über ein neues Loch im System."

Erschwerend kommt für die Schriftsteller hinzu, dass auch der kulturelle Kontakt zwischen den Ländern Ex-Jugoslawiens nicht funktioniert. So beruht der Austausch zwischen Kroatien und Serbien ganz auf privaten Initiativen, während sich auf offizieller Ebene so gut wie gar nichts tut. Goran Fercec: "Zwischen Kroatien und Serbien gibt es keinerlei sprachliche Barrieren und trotzdem gibt es keinen Vertrieb unserer Bücher im jeweils anderen Land. Wenn schon nicht kulturelle Gründe, dann sollten doch zumindest wirtschaftliche Gründe die Verantwortlichen überzeugen, das geschieht aber nicht."

Aber nicht nur der Kontakt zu Serbien, auch der zum nördlichen Nachbarn Slowenien, ist problematisch, so Ivana Sajko: "Slowenien kam viel früher zur EU und das ließ eine Art kulturelle Mauer zwischen unseren Ländern entstehen. Zum Beispiel findet man keine kroatischen Autoren in slowenischen Buchhandlungen und slowenische Bühnen spielen auch keine Stücke von kroatischen Dramatikern. In Belgrad wurden schon fünf meiner Stücke aufgeführt, in Slowenien hingegen kein einziges."

Umso wichtiger ist der deutschsprachige Buchmarkt. Ivana Sajkos Roman "Rio Bar" wurde bereits 2008 vom deutschen Feuilleton gefeiert, Goran Fercec' preisgekrönter Roman "Hier sind keine Wunder angesagt" ist hingegen noch nicht in Übersetzung erschienen. Einen Auszug daraus gibt es aber in der aktuellen Ausgabe der Literaturzeitschrift "Podium" zu lesen, die überhaupt einen guten Überblick über die kroatische Gegenwartsliteratur verschafft.

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