Bibelkommentar zu Lukas 11, 1 - 13

Von einigen lästigen, aufdringlichen Bittenden ist in dem Evangeliums-Text des Lukas die Rede. Es handelt sich aber nicht nur um lästige Bettler in eigener Sache, sondern zumindest an einer Stelle um Menschen, die selbst etwas geben wollen.

„Freund, leih mir drei Brote, denn einer meiner Freunde, der auf Reisen ist, ist zu mir gekommen und ich habe ihm nichts anzubieten.“ Der Mann, der hier so ungelegen mitten in der Nacht daherkommt, will nicht selber essen, sondern einem Gast etwas anbieten, der unversehens gekommen ist. In Wirklichkeit befindet er selbst sich in genau jener Lage, die er nun seinem Nachbarn und Freund zumutet.

Zu ihm ist mitten in der Nacht jemand auf Besuch gekommen. Und er möchte ihm die sprichwörtliche orientalische Gastfreundschaft erweisen, aber er hat nichts in der Speisekammer. Der Mann, der da nächtens zum Nachbarn eilt und bittet, verhält sich selbst nicht so wie sein Nachbar. Er klagt nicht, dass der andere ungelegen gekommen ist, wo er doch schon Nachtruhe haben will, sondern – er zieht rasch seine Hose an und läuft um 3 Brote. Er betrachtet den Besuch des anderen nicht als Zumutung, sondern als Freude. Er will ihn bewirten und jammert nicht über die späte Stunde.

Dennoch gerät er in die Verlegenheit, dass er nun selbst zum Bettler wird. Weil er für den anderen etwas holen will, muss er sich genau jene Vorwürfe anhören, die er eigentlich persönlich erheben könnte. Wer also Gutes tut, ist nicht davor geschützt, wie ein lästiger Bettler betrachtet zu werden.

Jesus rechtfertigt die Bittenden und Bettler. Er lässt sie etwas positiver erscheinen, indem er sie in Bezug zu den anderen bringt und ihnen erklärt, dass sie doch selber auch Bittende sind, dass sie sich in derselben Lage wie der jeweils andere befinden.

Seine Botschaft in diesem Lukas-Text hat etwas Beruhigendes: es ist doch genug für alle da! Sei nicht geizig, und hilf dem, der gerade daher gekommen ist. Der Geiz des Menschen ist das heimliche Thema hinter dieser Erzählung. Wer nicht helfen will, findet immer eine gute Ausrede, ob es die späte Stunde ist, die ungünstige Gelegenheit, oder dass man gerade selbst nichts bei sich hat. Jesus vergleicht diese Ausreden mit dem Verhalten Gottes: Wer von Euch würde seinem Sohn eine Schlange geben? Also gib auch diesem Anderen. Die Menschen sollen einander so behandeln wie es Geschwister tun sollen (und wohl auch nicht immer tun).

Der Grundgedanke hinter dem verborgenen Geiz – der ja für unsere Welt der Kapitalmaximierung charakteristisch ist! – ist die Angst vor der Knappheit. Haben wir genug Pension für die Alten? Haben wir genug Platz für Kinder? Haben wir genug Zeit für Menschen, die langsamer sind oder eine Behinderung haben? Wer immer nach der Maximierung hetzt, wird nie Zeit haben, und er wird auch immer fürchten, dass es sich nicht ausgeht, dass alles zu knapp wird, und dass wir deshalb bei den Anderen den Gürtel enger schnallen müssen.

Ist es nicht auffällig, dass wir heute den etwa fünffachen Wohlstand der 60er Jahre genießen, und uns fragen, ob wir genug öffentliches Geld für Bildung, Alterspensionen, Mindestsicherung haben? Wie dringend notwendig haben wir die Botschaft: Es ist genug für alle da!