Tanz und Kampf in "Tango Libre"
"Tango Libre" des Belgiers Frédéric Fonteyne spielt in einem Gefängnis - und so viel sei verraten: Da gibt es unter anderem eine faszinierende Tanzszene zwischen zwei Häftlingen, zwischen Tanz und Kampf. Trotz seines Titels ist der mehrfach ausgezeichnete Streifen "Tango Libre" kein Film über den Tango.
8. April 2017, 21:58
Morgenjournal, 16.8.2013
Jean-Christophe, von allen nur JC genannt, ist ein Gefängniswärter. Die einzige Verrücktheit in seinem grauen Alltag, den er mit seinem Goldfisch teilt, ist ein Tango-Kurs. Dort lernt er Alice kennen und sie gefällt ihm sofort. Schon bald sieht er sie wieder: im Besuchszimmer des Gefängnisses. Dort trifft sie gleich zwei Insassen: Fernand und Dominic, der eine ist ihr Ehemann, der andere ihr Geliebter, sie teilen sich nach einem missglückten Raubüberfall mit einem Toten eine Zelle. Nachdem er spitzgekriegt hat, dass Alice mit JC tanzt beschließt der eifersüchtige Fernand alias Sergi Lopez schließlich auch, Tango zu lernen. Er kontaktiert einen argentinischen Gangsterboss und bekommt zunächst eine Abfuhr.
Es ist ein Film über die Freiheit, er vermischt viele Dinge. Er stellt die Frage nach der Freiheit in der Liebe, auch wenn die weibliche Hauptfigur alles andere als eine Verfechterin der feien Liebe ist: Sie liebt voll und ganz mehrere Männer. Und der Tango wird von Männern in einem Gefängnis getanzt. Sie finden da auf paradoxe Weise eine Art Freiheit.
So wird im Gefängnis Tango getanzt, ein Hauch von Freiheit, nicht ohne Probleme, in diesem machistischen Umfeld und seinen latent homoerotischen Ritualen. Denn historisch gesehen war das so, dass es bei den zahlreichen Immigranten in Argentinien, viel mehr Männer als Frauen gab, und so mussten die Männer, die Machos waren, miteinander Tango tanzen, um eine Chance zu haben, zu einer Frau zu kommen, sagt Regisseur Fontayne.
"Tango libre" wurde in einem echten Gefängnis in Polen gedreht, Frédéric Fontayne und die Drehbuchautorin und Hauptdarstellerin Anne Paulicevich haben akribisch recherchiert, und so gibt es beeindruckende Stimmungsbilder, auch die Atmosphäre mit den verschiedenen Clans unter den Insassen ist hervorragend eingefangen.
Der Genremix mag allerdings nicht jedermanns Sache sein, aber darin liegt auch ein gewisser Charme, der einen französischen Kritiker zu der Bemerkung hingerissen hat, es gebe da eine poetische Absurdität, die nur Belgier schaffen können.
Poesie habe für ihn etwas Essenzielles, so der Regisseur. Ohne sie hat die Welt keinen Sinn. Es sei ja schon absurd, Belgier zu sein. Die Belgier haben wahrscheinlich eine stärkere Bindung zur Absurdität der Welt als andere, vielleicht auch zur Poesie. Sie sind sich der Dinge vielleicht weniger sicher als andere.
Sichere Werte sind jedenfalls die schauspielerischen Leistungen, neben der Hauptdarstellerin Anne Paulicevich der neue Shooting-Star des frankophonen Films, der Wallone Francois Damiens, der Katalane Sergi Lopez und der Flame Jan Hammenecker.