Indien: Währungsprobleme hausgemacht
In Indien ist die Landeswährung abgestürzt und der Wert der Rupie fällt immer noch. Investoren verlassen Schwellenländer und ziehen ihr Geld ab, die Kapitalflucht schwächt die nationale Währung. Allerdings sind gerade in Indien viele Probleme hausgemacht.
8. April 2017, 21:58
Morgenjournal, 24.8.2013
Kapitalflucht
Die Lage ist ernst in Indien, das hat auch Ministerpräsident Manmohan Singh erkannt. Indien durchlebe wie viele andere Länder eine schwierige Zeit, sagt er. Seit Mai verlor die indische Rupie 16 Prozent an Wert gegenüber dem US-Dollar, Investoren ziehen ihr Geld ab.
Auch die Bevölkerung sei verunsichert, sagt der österreichische Wirtschaftsdelegierte in Neu Delhi, Wolfram Moritz: "Man bemerkt, dass Firmen keine Investitionen tätigen, sich mit Entscheidungen zurückhalten. Es ist eine Kapitalflucht festzustellen, jeder, der kann, bringt sein Geld in sicheren Währungen unter." Die Regierung versucht gegenzusteuern und die Kapitalflucht mit strengeren Bestimmungen zu bremsen.
Reformen kommen nicht voran
Doch die Probleme Indiens liegen tiefer und sie sind zum Teil hausgemacht. Seit Jahren würden dringende Reformen nicht vorankommen, erklärt Hans-Jörg Hörtnagl, Indien-Experte in der Wirtschaftskammer. Als Beispiel nennt er die Grundenteignungsgesetze, die für den Straßenbau und die Infrastruktur notwendig wären, und genauso wie die Arbeitsgesetze noch aus der Kolonialzeit stammen. "Eine ganze Reihe von Gesetzen ist veraltet und müssen dringend reformiert werden", so Hörtnagl.
Dabei ist die politische Führung in Indien gut ausgebildet und wüsste sehr genau, was zu tun ist. Doch das politische System blockiert sich selbst. Im Parlament sitzen an die fünfzig Parteien, Beschlüsse der Zentralregierung werden in den Bundesstaaten oft nicht umgesetzt. Wer unbeliebte Entscheidungen treffen will, ist seinen Job als Politiker schnell wieder los. Ein Beispiel dafür war der Versuch, die Bahnfahrpreise zu erhöhen. Das sei vom zuständigen Minister angekündigt worden, erzählt Indien-Experte Hörtnagl, und innerhalb kürzester Zeit habe er zurücktreten müssen, weil der Schritt natürlich nicht sehr populär war.
Wahlen blockieren wichtige Entscheidungen
Indiens Wirtschaft geht es in diesem Umfeld immer schlechter, die Wachstumsraten gingen in den letzten Jahren deutlich zurück. Sie reichen nicht mehr aus, um die Armut zurückzudrängen und für mehr Wohlstand zu sorgen. Im Gegenteil: die Lebensmittelpreise steigen. Vieles muss außerdem nach Indien importiert werden. Wenn die Rupie jetzt an Wert verliert, werden diese Importe teurer. Ein einfacher Ausweg aus der Misere ist nicht in Sicht, noch dazu, wo in Indien bald Wahlen anstehen.
Spätestens im Mai nächsten Jahres muss gewählt werden. Deswegen sei bis auf weiteres Stillstand angesagt, sagt der Handelsdelegierte in Neu Delhi, Wolfram Moritz: "Es herrscht schon Wahlkampf und schon vor dieser akuten Krise sind kaum noch Entscheidungen getroffen worden. Es ist alles in Warteposition." Gut möglich, dass es in Indien erst Reformen gibt, wenn sich die Lage noch weiter dramatisch verschärft. Den letzten großen Reformschub gab es Anfang der 90er Jahre - damals stand Indien kurz vor dem Bankrott.