Brasilien, Land des Fußballs

Brasilien und Fußball - das gehört nicht nur für die Brasilianer untrennbar zusammen. Fußball dominiert den brasilianischen Alltag, beeinflusst Politik und Medien.

Ein Fußballbuch also, da werden wohl vor allem Spielerporträts und Spielanalysen zu lesen sein. Dazu vielleicht die Entstehungsgeschichte des Fußballs in Brasilien und Informationen zur bevorstehenden Weltmeisterschaft. Und das ist auch so. Aber nicht ganz so wie erwartet: In launigen Reportagen voller Lokalkolorit und unterhaltsamen Dialogen werden etwa die wichtigsten Stationen der Selecao, der brasilianischen Nationalmannschaft, nachgezeichnet, Sieg und Niederlage liegen nah beieinander, wie etwa bei der WM 1950, als Brasilien als haushoher Favorit im Finale gegen Uruguay spielte.

Nicht Sport, sondern Lebensgefühl

Hier klingt bereits an, dass Fußball für die Brasilianer nicht nur ein Ballsport ist, sondern ein Lebensgefühl, das in alle Bereiche hineinschwappt - in den Alltag, in die Politik, in die Medien oder in die Kultur: Zahlreiche Karnevalslieder besingen den Fußball, zum Beispiel dieses: "Domingo vou ao Maracana", "Am Sonntag geh' ich ins Maracana".

Und Fußball drückt die brasilianische Mentalität vielleicht besser aus als vieles andere.

Der Match-"Erzähler"

Darum bleibt es in diesem Buch auch nicht bei Porträts und Analysen. Brasilien und der Brasilianer stehen im Mittelpunkt und der Fußball bestimmt für viele den Lebensrhythmus. Und wer nicht im Stadion ist oder in einer der zahlreichen Bars das Spiel im Fernsehen mitverfolgt, der hält sein kleines Transistorradio ans Ohr.

Zahlreiche Fußballzeitungen berichten täglich von den Spielen und dem Privatleben der Stars, dazu kommen Runde Tische mit Trainern und Experten, und jede Menge Kommentare.

Mädchen haben's schwer

Der Autor Martin Curi lebt seit vielen Jahren in Brasilien, hat mit einer anthropologischen Arbeit zum Thema Fußballfan promoviert, er kennt sich aus. Und erzählt immer wieder recht persönlich von seinen Reisen zu kleinen Klubs im abgelegenen Hinterland, zu Mädchenmannschaften, die es trotz ihres Talents so viel schwerer haben als ihre männlichen Kollegen, oder zu Fußballspielen der indigenen Bevölkerung, die aufgrund ihrer Traditionen auch beim Autor für Erstaunen sorgen.

Politik und Fußball

Auch folgenden Aspekt behandelt der Autor ausführlich: Politik und Fußball. So wurden während der Diktatur unter Getúlio Vargas in den 1930er Jahren erstmals dunkelhäutige Spieler in den oberen Ligen zugelassen, sozusagen als nationales Symbol für die Einheit des Landes. Viele Jahre später bediente sich auch Präsident Luis Inácio Lula da Silva des Fußballs.

Und, ja, am Ende des Buches kommt Vorfreude auf: Alle nur erdenklichen Informationen zur bevorstehenden Weltmeisterschaft werden aufgelistet, alle Stadien, alle WM-Städte, die Klubs dieser Städte und deren größte Erfolge. Was in welchem Bundestaat auf den Tisch kommt und welche Wörter man auf jeden Fall bis kommenden Juni auf Portugiesisch können sollte. Neben den wichtigsten Schimpfwörtern sind das zum Beispiel: der Fan - o torcedor, der Anpfiff - o apito inicial, der Sieg - a vitória oder der Weltmeister - o campeao do mundo.

Service

Martin Curi, "Brasilien, Land des Fußballs", Verlag Die Werkstatt