Die "Café Sonntag"-Glosse von Joesi Prokopetz

Schauspiel in der Operette

Operette: Die Operette (italienisch = kleine Oper) ist ein musikalisches Bühnenwerk. (wikipedia)
Schauspielerei: A verkörpert B, während C zuschaut. (Eric Bentley)

Der Begriff "Operette" entstammt dem 17. Jahrhundert und wurde im 18. Jahrhundert als dramatische Form, als kleine Oper, bekannt und beliebt, vor allem als die Vaudeville-Komödien der Pariser Jahrmarkt-Theater und bis ins 20. Jahrhundert als Zarzuela, der spanischen Operette.

Die Operette hatte vom Start weg das Stigma der teils frivolen, derben und oberflächlichen Volksnähe, galt gewissermaßen als "Musikantenstadl" der Belle Epoque. Dieses wundert weniger, wenn man weiß, dass in dieser Zeit oft Schauspieler gesungen und Sänger geschauspielt haben. Ein leicht verdaulicher Gesamtspaß war wichtiger als Virtuosität im Detail. Zu der rein komödiantischen Ausrichtung kamen in der Folge verstärkt auch sentimental-romantische "Heile Welt-Plots" zum Tragen und die Operette blieb Gaudium fürs Prekariat.

Wie ist das heute?

Da und dort wurde versucht, ihr eine gewisse gesellschaftliche Relevanz einzuhauchen (Johann Strauß' "Fledermaus" oder Emmerich Kálmáns "Die Csárdásfürstin") und sogar weltliterarische Bearbeitungen, wie Ralph Benatzkys "Die drei Musketiere", als Vorläufer für die Libretto-Erschleichung großer moderner Musicals.

Große Sommerbühnen haben versucht - und teilweise ist es ihnen auch gelungen -, der Operette wieder so etwas wie Glamour zu geben.

Heute werden Operetten mit großem Aufwand abgefeiert, üppige Kostüme, barocke Bauten und Requisiten, opulent choreografierte Tanzblöcke, aber fast immer musiklastig, gesangs- und sängerorientiert. Die gespielten Passagen werden peripher erledigt und sind oft und oft von Schauspiel gänzlich unbeseelt. Sie dienen als beiläufig gezimmerte Brücke von der einen, in große Szene gesetzten Arie zur nächsten. Meine Großmutter selig, eine große Freundin der Operette, wippte bei einer Arie mit dem Fuß, klatschte den Rhythmus unhörbar mit und bewegte ihre Lippen lautlos synchron zum Text. Wenn eine gespielte Szene kam, wurden ihre Züge missmutig und sie murmelte wegwerfend: "Geh, a Sprechstelle!" und wippte, klatsche und formte die Lippen zum Text bei der folgenden Arie erst wieder, als diese schon halb vorbei war.

Daher: Selbstverständlich muss Schauspiel in die Operette. Denn die Operette soll die auf jeder Ebene gelungene Symbiose von Gesang und Sprache sein. Das Augenmerk von Produzenten und Regisseur-Seite nur auf herzverbiegende Arien zu legen ist zu wenig. Der Operetten-Star muss nicht nur amtlicher Sänger oder Sängerin sein, sondern in gleichem Maße auch amtlicher Schauspieler oder Schauspielerin. Die auf den Schwingen des Gesanges vorgelebte Begeisterung, Verzweiflung, Liebesfreud und das Liebesleid muss sich in den gesprochenen Szenen nahtlos fortsetzen. Eine durchgehende Fesselung muss die Operette sein, dann erfreut sie unser Herz und lässt uns in dieser stets durch zahllose Unwägbarkeiten belasteten Welt und der Unerbittlichkeit unserer Wirklichkeit leicht und heiter sein.

Denn wenn nicht, wäre die Operette ja Oper. Und die steht ja nicht zur Debatte.