Neuer Roman von Jerôme Ferrari
Er war die Überraschung des vergangenen Jahres: der 45-jährige korsischstämmige Philosoph Jerôme Ferrari. Völlig unerwartet erhielt er den Prix Goncourt, Frankreichs wichtigsten Literaturpreis. In seinen Romanen behandelt Ferrari den Alltag auf Korsika. Zur Frankfurter Buchmesse erscheint jetzt sein neuer Roman "Bianco atlantiko".
8. April 2017, 21:58
Kulturjournal, 08.10.2013
Sein Markenzeichen sind die langen Sätze. Wenn Jerome Ferrari schreibt, dann nimmt ein Satz leicht eine halbe Buchseite, so dicht kommen die Gedankengänge des Philosophen, aber so anspruchsvoll ist die Lektüre für den Leser. Seine Vorbilder seien Dostojewski, sagt er, auch Thomas Bernhardt und dessen Sarkasmus. Kurze Sätze finden bei Jerome Ferrari nur in Dialogen statt, dort fehlen seinen Protagonisten oft die Worte. Bei der Frage, warum er vor zehn Jahren begann zu schreiben, nach Philosophiestudium und ersten Jobs als Lehrer, geht es ihm ähnlich:
"Das ist eine schwierige Frage. Ja gut, ich weiß das gar nicht so genau, ich glaube, ich habe angefangen zu schreiben, als ich schreiben gelernt hatte. Mein erstes Buch veröffentlichte ich erst relativ spät, das ist wahr, aber vorher habe ich Studien geschrieben, mich ausprobiert. Warum ich aber angefangen habe - keine Ahnung."
Obwohl in Paris als Sohn von korsischen Eltern aufgewachsen, stehen im Mittelpunkt seiner Romane die einfachen korsische Bauern. Ihr Nationalismus, die Befreiungsbewegung des 20. Jahrhunderts. Das interessiert den 45-jährigen Philosophen, deshalb verlegt er die Handlung seiner Romane oft in Bars und Kneipen, dort wo die Arbeiter an Stammtischen über die Welt philosophieren. Anders als der Autor Jostein Gaarder will er aber überhaupt nicht philosophische Themen in seinen Werken transportieren:
"Nein, nein überhaupt nicht. Ein Roman ist eine eigene Kunstform, ich möchte nicht als jemand verstanden wissen, der Romane benutzt, um philosophische Inhalte zu verbreiten und die wissenschaftliche Kröte der Philosophie schluckt. Ich bin absolut mit Schopenhauer einverstanden, der meint, wenn ein Roman ausschließlich benutzt würde, um eine Botschaft zu senden, dann hat der Roman von vornherein verloren."
Genauso hochkonzentriert wie seine Sätze ist Ferrari auch bei der Lesung aus seinem neuen Roman "Balco Atlantico". Die naive wie auch platonisch und dennoch intensive Liebe eines Studenten zu einer Achtjährigen prallt in dem 165 Seiten umfassenden Buch auf die Radikalität der Untergrundbewegung, zu der der Autor auch kurze Zeit gehörte, aber rasch von dem Fanatismus abgeschreckt wurde.
Auch das Thema der Migration, der französschen Kolonialgeschichte Frankreichs, bindet Ferrari in seine Bücher ein. Den Kulturclash mit den Einwanderern auf Korsika zeigt er anhand der Kellnerin Hayet und ihrem Bruder Khaled. Der Irrwitz der menschlichen Lebenswege werde durch Ferraris dichtgewebte Sprache hervorragend dargestellt, lautete eine Begründung für die Verleihung des Prix Goncourt 2012. Auch in seinem neuen Roman aus dem Zürcher Secessions Verlag beweist Ferrari, dass lange Sätze sehr wohl nicht abschrecken müssen, sondern den Leser wie magisch in die Absurditäten des Lebens führen.