Der geheime Krieg der CIA

Killing Business

Im Mai 2011 wurde Osama Bin Laden von einer US-Eliteeinheit der Navy Seals in Pakistan getötet. Dieses Ereignis war der Anlass für Mark Mazzetti, sein Buch "Killing Business" zu schreiben. Über die neue Art, wie die CIA nun Kriege führen.

"Dieses Ereignis verband so viele Handlungsstränge miteinander, die mich schon lange beschäftigten. Zum Beispiel: Die USA führten einen tödlichen Anschlag in einem Land, mit dem sie sich nicht im Krieg befanden, aus; das Militär unterstand bei dieser Operation dem Geheimdienst. Die Grenzen zwischen dem, was ein Soldat bzw. ein Spion macht, verschwammen zunehmend", so Mazzetti.

Der "New York Times"-Reporter beschreibt in seinem Buch die Militarisierung des US-Geheimdienstes CIA, der Central Intelligence Agency, sowie die neuen Methoden der Kriegsführung. Ohne Soldaten vor Ort, ohne Panzer. Die Waffen der Wahl sind unbemannte, ferngesteuerte Drohnen. Der Tod von Zivilisten wird dabei bewusst in Kauf genommen.

Vom Nachrichtendienst zum Attentäter

Die CIA ist die Nachfolgeorganisation des OSS, des Office of Strategic Services und wurde 1947 gegründet. Konzipiert war sie als Nachrichtendienst, der vor allem Informationen beschaffen sollte. Doch das änderte sich bald:

"In den 1950er und 1960er Jahren waren Coups, Komplotte und Attentatsversuche für die CIA an der Tagesordnung", sagt Mazzetti. "Es herrschte dieses Gefühl, dass man alles leugnen konnte, sollte etwas schief laufen. Man konnte immer sagen: Damit hatten wir nichts zu tun. In den 1970er Jahren hatten wir den Watergate-Skandal und den Vietnam-Krieg. Im US-Kongress drängten die Gesetzgeber nun sehr viel mehr darauf, die geheimen Aktivitäten genauer unter die Lupe zu nehmen. Es gab Ende der 1970er Jahre das sogenannte Church-Komitee, benannt nach dem Vorsitzenden, Senator Frank Church. Im Rahmen dessen kam die gesammelte schmutzige Wäsche der CIA ans Tageslicht."

So erfuhren die Amerikaner erstmals von den Attentatsversuchen auf Fidel Castro. Eine der Waffen war eine Zigarre mit Sprengkörper. US-Präsident Gerald Ford stutzte der CIA auf diese Enthüllungen hin die Flügel deutlich zurück. Er verbot Attentate auf Politiker und Staatschefs.

Terroristen jagen und töten

Die CIA besann sich für längere Zeit wieder auf ihr ursprüngliches Handwerk der klassischen Spionage. Das sollte sich mit den Anschlägen islamischer Extremisten ändern.

"In den Monaten vor dem Anschlag des 11. September wurde heftig über einen Drohneneinsatz diskutiert", sagt Mazzetti. "Die CIA kämpfte mit der Frage, ob sie Osama Bin Laden töten sollte. Das heißt also: Sollte die CIA wieder ins Attentatsgeschäft einsteigen? Die Leute, die nun in Führungspositionen waren, kamen nach den Anhörungen vor dem Church-Komitee zur CIA. Und sie haderten sehr mit diesem Problem. Doch dann passierten die Anschläge. Das fegte alle Bedenken beiseite. Die CIA schlugen den Kurs ein, den sie nun über die letzten Jahre gehalten haben."

Präsident George Bush unterschrieb nach den Terroranschlägen eine geheime Anordnung, die die CIA ermächtigte, Terroristen zu jagen und zu töten. Terrorismusbekämpfung wurde ab diesem Zeitpunkt zur Hauptaufgabe des Geheimdienstes. Und, so Mark Mazzetti, so mancher CIA-Mann hatte auf diese Stunde schon lange gewartet. Wie zum Beispiel Cofer Black, der damalige Chef des Zentrums für Terrorismusbekämpfung. Mark Mazzetti schreibt:

Bedenkliche Foltermethoden

In den ersten Jahren nach den Anschlägen konzentrierte sich die CIA darauf, Terroristen bzw. Terrorverdächtige gefangenzunehmen und zu verhören. Dabei wurde auch gefoltert. Etwa mittels Waterboarding, einer Methode, die dem Verhörten das Gefühl vermittelt, er sei am Ertrinken.

"2004 erstellt die CIA einen internen Bericht", erzählt Mazzetti. "Der Inspector General der CIA warf das Problem auf, dass diese Praktiken zu Schwierigkeiten führen könnten. CIA-Agenten konnten dafür vielleicht eingesperrt werden. Geheimdienstveteranen erinnerten sich noch an den Iran-Contra-Skandal. Sie wussten, wie weit es kommen konnte, und machten sich Sorgen. Interessanterweise findet einen Monat nach diesem Bericht der erste Drohnenanschlag in Pakistan statt. Es hatte bisher solche Einsätze in Afghanistan und im Jemen gegeben. Doch im Juni 2004 werden erstmals Drohnen nach Pakistan geschickt."

Das Drohnenprogramm wurde unter George Bush begonnen. Doch Barack Obama hat es wesentlich erweitert. Drohnen sind die Waffe der ersten Wahl gegen Terrorverdächtige. Wie zum Beispiel gegen den in den USA geborenen radikalen und sehr beredten Imam Anwar Al-Awlaki. Er starb 2011 im Jemen. Zwei Wochen später kam sein 16 Jahre alter Sohn auf die gleiche Weise um.

Den arabischen Frühling verpasst

In dem Maß, in dem Ressourcen in Terrorbekämpfung und die Jagd auf Terroristen umgeleitet wurden, blieb die gute, alte Spionage auf der Strecke, meint Mark Mazzetti. Also das Sammeln und Auswerten von Informationen: "Die CIA hat den arabischen Frühling verpasst. Das soll nicht heißen, dass sie Zeitpunkt und Anlass der Revolte in Tunesien hätten vorhersehen sollen. Aber es dauerte eine Weile, bis sie daraus die Schlüsse zog, was in Ägypten passieren würde. Man war mit den Analysen einfach sehr langsam. Und das liegt zum Teil daran, dass alle sich auf die Jagd auf Terroristen konzentrieren."

Da die Geheimdienste aber Informationen von irgendwoher beziehen müssen, treten bunte Charaktere auf den Plan. Sozusagen freiberufliche Spione, wie beispielsweise eine US-amerikanische Geschäftsfrau. Sie reiste eine ganze Weile durch Somalia und kam sogar mit Piraten in Kontakt.

Unbekannte im Fadenkreuz

Das letzte Wort in Mark Mazzettis Buch hat Richard Blee. Er leitete in den 1990er Jahren die eigens zur Jagd auf Osama Bin Laden eingerichtete CIA-Abteilung. Nach den Terroranschlägen des 11. September forderten er und andere Terroristenjäger so viel freie Hand in der Wahl der Waffen als möglich. Mittlerweile ist Richard Blee pensioniert. Über die Art und Weise, wie die USA nun Krieg führen, hat er Bedenken.

Früher, meint er, sei es schon aus Gewissensgründen wichtig gewesen zu wissen, wen man eigentlich im Fadenkreuz habe. Damit sei es vorbei. "Heute jagen wir an allen Ecken und Enden Leute in die Luft, deren Namen wir gar nicht kennen." Wenn jeder Drohnenschlag eine Exekution ist, dann sollte diese öffentlich nachprüfbar sein. Und außerdem müsse es darüber eine öffentliche Debatte geben.

Service

Mark Mazzetti, "Killing Business. Der geheime Krieg der CIA", aus dem Englischen übersetzt von Helmut Dierlamm und Thomas Pfeiffer, Berlin Verlag