Chinas Provinzen teils extrem stark verschuldet
In Peking wollen Chinas Führer auf dem heute beginnenden großen KP-Parteitag tiefgreifende wirtschaftliche Reformen anstoßen. Denn es wird zu wenig konsumiert, die Abhängigkeit von Exporten ist zu groß, in den Provinzen explodieren die Schulden. Die chinesische Regierung beteuert, dass sie alles im Griff habe, doch tief in der Provinz scheint die Linie zwischen notwendiger Entwicklung und gefährlichen Exzessen längst überschritten.
8. April 2017, 21:58
Morgenjournal, 9.11.2013
Aus China berichtet ORF-Korrespondent
"Garden City": Größtes Wohnprojekt Chinas
Baulärm breitet sich in alle Ecken von Guiyang aus, der Hauptstadt der ärmsten Provinz Chinas, fast drei Flugstunden entfernt von Peking. Gleichzeitig ist sie eine der wirtschaftlich am schnellsten wachsenden Städte des Landes. Hochhaustürme in Bau, soweit das Auge reicht. Das ist wörtlich zu nehmen: "Garden City" heißt das gewaltigste Wohnprojekt Chinas. Hier entstehen auf 18 Millionen Quadratmetern Wohnungen für mehr als 350.000 Menschen.
Doch ist dieses nur eines von vielen Immobilienprojekten in Guiyang. Eine halbe Stadt wird hier abgerissen und wieder aufgebaut, die Bewohner aus ihren alten heruntergekommenen Quartieren umgesiedelt. In einem, das noch steht, treffen wir Frau Yang: "Wir haben kein Wasser hier, das hat uns der Immobilienentwickler abgedreht. Wir haben auch Probleme mit der Stromversorgung. Die hygienischen Bedingungen sind schlecht hier."
Denken in großen Dimensionen
Frau Yang ist wie viele andere Bewohner bereit, in eines der Hochhäuser zu ziehen. Allerdings streitet sie mit dem Immobilienentwickler noch über die Höhe der Abfindung für ihr Haus - ein kleines Einzelschicksal. Doch in Guiyang denkt man in großen Dimensionen. Vier U-Bahnlinien sind in Bau, ebenso fünf Hochgeschwindigkeitstrassen, auf denen künftig Züge die Provinzsdtadt Guiyang mit den großen Metropolen verbinden sollen. Der Bauboom beschert Guiyang auf dem Papier ein Rekordwirtschaftswachstum: plus 14 Prozent im vergangenen Jahr.
"Unsere Entwicklung macht uns zu einer zivilisierten Stadt ersten Ranges, zu einer Stadt der Innovation, zu einem Technologiezentrum, zu einer Modellstadt für die wirtschaftliche Öffnung", erzählt der Direktor im Stadtplanungsmuseum. Bei der Frage, wie sich die arme Stadt das alles leisten könne, wird er ungeduldig und will das Interview rasch zu Ende bringen.
Tatsächlicher Schuldenstand unbekannt
Eigentlich dürfen sich Lokalregierungen gar nicht verschulden. So beschaffen sie sich über undurchsichtige Finanzierungsfirmen bei den Banken Geld. Mit neuen Krediten werden alte zurückgezahlt. Niemand weiß wie hoch die Schulden der Provinzen mittlerweile sind, sowie der Berg an faulen Krediten, auf dem die staatlichen Banken sitzen. Fest steht: Auch Guiyang hat Milliardenkredite aufgenommen und dürfte mindestens dreimal so hoch verschuldet sein wie offiziell bekannt.
Dass Projekte leer stehen oder nicht mehr fertiggestellt werden, lässt auch berufsoptimistische Immobilienmakler nachdenklich werden: "Noch verkaufen sich die neuen Wohnungen bestens in Guiyang. Aber wenn die wirtschaftliche Entwicklung schlechter wird, dann könnte es auch für uns enger werden."
Mit neuen weitreichenden Wirtschaftsreformen wollen Chinas Führer den Spagat schaffen zwischen rascher Entwicklung und Nachhaltigkeit – und auch die nationale Sucht nach Wachstum um jeden Preis bekämpfen. Das Beispiel von Guiyang zeigt, dass dies ein ziemlich schwieriges Unterfangen sein wird.