Die Simpsons und die Mathematik

Homers letzter Satz

Sie sind gelb, haben lediglich vier Finger und sind die Stars einer der erfolgreichsten Zeichentrickserie aller Zeiten: die Simpsons. Über 530 Episoden sind bisher entstanden - und noch ist kein Ende in Sicht. Jetzt erschien ein Buch, das die mathematischen Geheimnisse der TV-Serie lüftet.

Kann Mathematik Spaß machen? Auf jeden Fall, meint Simon Singh. Der britische Wissenschaftsjournalist hat das schon einmal bewiesen: im Jahr 2000 erschien sein Bestseller "Fermats letzter Satz", in dessen Mittelpunkt der Satz des Pythagoras steht. Jetzt, 13 Jahre später, folgt "Homers letzter Satz" - "Homer" wie der Name einer der Hauptfiguren der Zeichentrick-Fernsehserie "Die Simpsons".

Für sein neuestes Buch studierte Singh Hunderte Folgen der TV-Serie. Er sei dagesessen und habe den ganzen Tag "Die Simpsons" geschaut, erzählt Singh über die Monate der Recherche. Harte Arbeit, aber es musste sein, meint der Physiker mit einem Augenzwinkern. Denn die Mathematik, die sei in der Serie oft so versteckt, dass selbst ein geschultes Auge zwei Mal hinsehen muss:

"Ich habe mir Hunderte Episoden angesehen, aber einige habe ich mir immer und immer wieder angesehen. Nicht jede Episode bezieht sich auf Mathematik, aber einige sind voll davon. In der Episode 'Baumhaus des Schreckens 6' etwa gibt es eine Geschichte, Homer hoch drei, und da geht es fünf Minuten lang um die heftigste Mathematik, die jemals im Fernsehen gezeigt wurde. Sogar die Eulersche Formel kommt vor, die wohl schönste mathematische Formel überhaupt in den 'Simpsons'! Ich habe viel Zeit damit verbracht, mir immer wieder diese Szene anzusehen."

Erfinder mit mathematischen Ambitionen

Wenn Vater Homer ein Universum in Form eines Donuts entwirft oder Tochter Lisa ihr Baseballteam mit Hilfe statistischer Berechnungen zum Erfolg führt, dann steckt dahinter nicht nur viel Witz, sondern auch mathematisches Können. Die Eulersche Formel, Differentialrechnungen, Narzisstische und Mersenne-Primzahlen - die Simpsons sind voll mit mathematischen Anspielungen. Simon Singh entdeckte das eher zufällig:

"Da gibt es die eine Episode mit dem Titel 'Im Schatten des Genies', in der Homer Simpson ein Erfinder wird. Er ist im Keller und schreibt auf eine Tafel. Und auf dieser Tafel steht eine Gleichung, die mit Fermats letztem Satz zu tun hat - ich habe ja in meinem ersten Buch darüber geschrieben - und als ich diese Gleichung auf der Tafel gesehen habe, war ich fassungslos. Wer hat das ins Drehbuch geschrieben?"

Also wandte sich Simon Singh an die Autoren rund um den Simpsons-Erfinder Matt Groening und stieß auf den Physiker und Informatiker David Cohen. Vor seiner Karriere als Comedy-Schreiber machte Cohen mit einer Publikation über die mathematischen Probleme der Sortierung verbrannter Pancakes von sich Reden - ein Thema, das beinahe aus den "Simpsons" stammen könnte.

Intuition als Rätsellöser

Cohen ist aber nicht der einzige im Team, der über mathematische Vorbildung verfügt: "Ich dachte mir, ok, da ist ein Mathematiker, der sich auf Mathematik bezieht", sagt Singh. "Aber dann habe ich bemerkt, da gibt es jede Menge Mathematiker, Leute mit Master- und Doktor-Titel, die für die Simpsons schreiben."

Simon Singh flog nach Los Angeles, wo die Serie produziert wird, und setzte sich mit einigen der Autoren zusammen. Was ihn besonders interessierte: Was bringt die Mathematik-Freaks dazu, für eine Zeichentrick-Serie zu schreiben? Und warum sind sie so erfolgreich in der Branche?

"Manche haben gemeint, es sei die Intuition. Wenn man ein mathematisches Problem löst, braucht man Intuition, die einen zum Beweis führt. Das sei so, wie einen Witz zu schreiben. Du weißt nicht, ob der Witz aufgeht. Also brauchst du Intuition, die dir sagt, ob du auf dem richtigen Weg bist. Worin sie alle einig waren: Es gibt einen Zusammenhang zwischen Logik und Humor. Mathematiker lieben die Logik, sie lieben es, damit zu spielen, sie zu verbiegen, auszudehnen. Oft brechen sie die Logik. Und da beginnt das Unlogische - und das kann lustig sein."

Botschaft an die Nerds und Geeks

Das Comedy-Schreiben ist meist Teamarbeit - pro Episode sind rund zehn Autoren beteiligt. Und nicht immer setzten sich die Mathematiker durch, weiß Simon Singh. Das erklärt, warum nicht jede Zahl in den "Simpsons" eine besondere Bedeutung hat. Wer aber sucht und die Zeichen auch zu erkennen weiß, stößt auf jede Menge mathematischer Rätsel:

"99,9 Prozent der Zuschauer werden das nicht erkennen. Aber die, die die Mathematik-Bezüge sehen, haben ihre helle Freude damit. Ich glaube, die Autoren versuchen, die Nerds und Geeks da draußen zu erreichen und ihnen zu sagen: Schau, wenn du Mathematik liebst, wir lieben sie auch!"

In Simon Singhs Buch geht es auch um eine andere Comic-Serie, bei der Matt Groening und David Cohen ihre Finger im Spiel haben: "Futurama", eine Science-Fiction-Zeichentrickserie, die zu Beginn des 31. Jahrhunderts spielt. Auch sie ist voller mathematischer Rätsel und hat eine treue Fangemeinde. Wer seine Entdeckungen mit Gleichgesinnten teilen möchte, findet im Netz unzählige Foren, in denen es um nichts anderes geht als um das Aufdecken der versteckten Hinweise bei "Futurama" oder den "Simpsons".

"Wenn du etwas entdeckst in einer 'Simpsons'-Episode, möchtest du es mit dem Rest der Welt teilen. Dass das Internet zur selben Zeit aufgekommen ist wie 'Die Simpsons', ist wichtig, denn es ist nicht lustig, etwas zu entdecken, etwa eine Eulersche Formel oder das 'P versus NP-Problem', es sei denn, man kann es übers Internet in die Welt schreien."

Man muss aber kein Comicserien-Fan sein, um das Buch von Simon Singh genießen zu können. Fast beiläufig erfährt man bei der Lektüre Wissenswertes über mathematische Phänomene und die Welt der Zahlen. Durchaus amüsante Nachhilfestunden für alle, die ein wenig Interesse mitbringen. Wussten Sie etwa, dass eine Eins mit hundert Nullen ein Googol genannt wird? Nicht von ungefähr hat sich die erfolgreichste aller Internet-Suchmaschinen danach benannt. Oder dass beim Schere-Stein-Papier-Spiel Männer eher zum Stein tendieren, Frauen eher zur Schere? Nerd-Wissen, das nicht schaden kann.

Service

Simon Singh, "Homers letzter Satz. Die Simpsons und die Mathematik", übersetzt von Sigrid Schmid, Hanser Verlag

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