Druck auf Medien in Venezuela

Venezuelas verstorbener Staatschef Hugo Chavez wusste, wie wichtig mediale Berichterstattung für seine Präsidentschaft war. Positive, wohlgemerkt. Kritische Medienstimmen hat er in seiner Amtszeit sukzessive zurückgedrängt. An dieser Strategie hält auch Chavez' Nachfolger Nicolas Maduro neun Monate nach dessen Tod eisern fest. Wütend geht er gegen jene kritischen Sender und Zeitungen vor, die, wie er sagt, die sozialistische Revolution Venezuelas gefährden.

Mittagsjournal, 28.12.2013

Aus Caracas berichtet

"Gefahr für die Revolution"

Keine Woche vergeht, ohne dass Venezuelas Staatschef Nicolas Maduro Drohungen ausspricht. Drohungen gegen diejenigen Medien, die, wie er sagt, seinen Sturz planen: "Wir sind Opfer der bourgoisen Medien. Fernsehen, Radio und Zeitungen - sie alle füllen ihre Seiten mit Gift und Hass und Lügen, mit denen sie einen Staatsstreich rechtfertigen wollen."

Die Medienwelt sei eine Gefahr für die Revolution, poltert Maduro. Und er erlässt immer mehr Gesetze, um den Einfluss der, wie er sagt, "feindlichen Propaganda" zu unterbinden: "Das ist Terror gegen unser Land. So lange dieser Medienkrieg gegen uns anhält, werden auch wir gegen die Radio und TV Sender kämpfen."

Maduros Maßnahmen sind vielfältig: Schauprozesse und hohe Geldstrafen für vermeintliche Verstöße gegen Mediengesetze, der Entzug von Lizenzen, das Abwerben von Sponsoren. Die Konsequenz: Immer weniger Journalisten berichten kritisch über die Regierung. Tun sie es doch, kann es sie ihren Job kosten.

Kein Zugang zu Informationen

Omar Lugo ist einer von ihnen. Bis vor kurzem war er Direktor des Wirtschaftsmagazins El Mundo, das im Herbst von einem regierungsnahen Unternehmer aufgekauft wurde. Vor zwei Wochen wurde Lugo gefeuert. Der Grund: Er hatte aktuelle Wirtschaftszahlen veröffentlicht. Omar Lugo: "Die venezolanische Wirtschaft kann in konkreten Zahlen der Zentralbank beschrieben werden. Diese Zahlen sagen, dass wir uns im schlimmsten wirtschaftlichen Tief seit neun Jahren befinden. Das haben wir auch geschrieben. Nur leider hat es der Regierung nicht gefallen."

Bei allem wittere die Regierung mittlerweile den Landesverrat, sagt Lugo, sogar bei Berichten über Lebensmittelpreise. Als Journalist zu arbeiten, werde immer schwieriger: "Wir haben keinen Zugang zu Informationen. Wir bekommen keine offiziellen Daten, viele Pressekonferenzen dürfen wir nicht einmal besuchen, kritische Fragen werden nicht beantwortet. Die Regierung will nicht, dass man sie in Frage stellt. Aber das ist nicht mein Verständnis von Journalismus."

Oppositionssender aufgekauft

Ein Beispiel für die Medienoffensive der Regierung ist der Fernsehsender Globovision. Der ehemalige Oppositionskanal wurde vor sieben Monaten aufgekauft, davor war wegen der Sanktionen finanziell am Ende. Die meisten Moderatoren wurden ausgetauscht. Jetzt gibt es hier neue Gesichter, wie Vladimir Villegas, Journalist – und ehemaliger Chavista: "Globovision war nie ein unabhängiger Sender, sondern das Sprachrohr der Opposition", antwortet Villegas auf die Frage, ob sich die Berichterstattung bei Globovision verändert habe. "Jetzt kommen hier alle zu Wort, nicht mehr nur Regierungsgegner. Jetzt gibt es eine gesunde Balance." Er habe nicht das Gefühl, dass seine Meinung eingeschränkt werde, sagt Villegas, der jeden Tag eine einstündige Gesprächsrunde moderiert. Probleme gebe es aber, das wisse er: "Ist alles in Ordnung? Nein. Ich sehe, dass die Regierung manchmal überreagiert, übertrieben sensibel auf Kritik ist. Und ja, manchmal gibt es auch den Versuch, eine Nachricht zu manipulieren. Aber das alles in gut und schlecht einzuteilen, das wäre falsch."

Tatsache ist, dass es mittlerweile keinen politisch kritischen Fernsehsender mehr in Venezuela gibt. Den Radiostationen geht es nicht besser. 2009 verloren mehr als 30 Radiosender ihre Lizenzen, oft wegen Formalitäten, wie einigen überzogenen Werbeminuten. Aus Angst vor den Inspektoren, senden die meisten Stationen mittlerweile nur mehr Unterhaltungsprogramm, klagt der Journalist Oscar Lucién: "Das Problem mit der Selbstzensur ist, dass sie nicht messbar ist. Journalisten werden nicht erschossen oder bedroht. Aber sie werden eingezäunt. Und auch das macht Angst. Also unterwerfen sie sich. Sie lassen sich zu politischen Akteuren machen. Hier in Venezuela leben wir in einem autoritären System, das ein subtiles Instrument anwendet: Die Kontrolle der öffentlichen Meinung."

Am besten haben bisher die Zeitungen dem politischen Druck standgehalten, trotz regelmäßigen Rechtsstreitigkeiten, trotz Rückgangs der Werbepartner. Doch auch sie haben jetzt ein Problem: Ihnen geht das Papier aus. Und die Erlaubnis, Papier aus dem Ausland zu importieren, hat die venezolanische Fremdwährungsbehörde nur den staatlichen Zeitungen gegeben.