Roman von Zadie Smith
NW London
Die britische Erfolgsautorin Zadie Smith taucht mit ihrem neuen Roman „NW London“ wieder in ihre alte Heimat ein. NW steht für die Postleitzahl des Londoner Nordwestens. Smith lebt zwar in New York, der von Armut geprägte Stadtteil Kilburn in London lässt sie aber nicht los.
8. April 2017, 21:58
Das Buch ist vergangene Woche bei Kiepenheuer&Witsch auf Deutsch erschienen. Die englische Originalfassung kam schon im Herbst 2012 auf den Markt, die New York Times kürte „NW London“ zu einem der besten Romane des Jahres. Insgesamt sind Kritiker allerdings gespalten, manche feiern Smith als radikal und real, andere wiederum sprechen von ihrem schwächsten Werk.
"Magisches" Buch
„NW“, das sind die zwei Buchstaben, die im britischen Postleitzahlencode für „Nord-West London“, genauer gesagt für den Arbeiterstadtteil Kilburn stehen. Kilburn sei wie ein Dorf, sagte Zadie Smith bei einer Buchbesprechung in London Ende des vergangenen Jahres. Die Bewohner hielten es für das Zentrum Londons, auch sie habe immer gedacht, die Oxford Street sei am Stadtrand, wo man seine Weihnachtsgeschenke einkaufe.
Smith begleitet vier junge Menschen aus zerrütteten Familien, Leah, Natalie, Felix und Nathan, auf ihrem Leben in Kilburn. Sie schildert ihren ständigen Kampf um wirtschaftlichen Aufstieg und Lebensglück, beschreibt dabei in einprägsamen Szenen Klassengegensätze, Rassismus und Gewalt. Nach „Von der Schönheit“ wollte sie ein dunkles Buch schreiben, über Leute, die ihr Leben vermurksen, über ihre Pervertiertheit, es gehe darum zu zeigen, wie viele Dinge kompliziert würden.
Leser müssen sich aber an den etwas raueren Stil gewöhnen, es gibt weniger sanft fortlaufende Erzählprosa wie in Smiths früheren Büchern. Sie liefert schnelle Assoziationen, kurze Sätze, eine wilde Mischung aus Literatur- und Straßensprache. Christian Lorentzen, Chefredakteur des Magazins "London Review of Books" spricht von Smiths bisher bestem Werk.
Sie habe bewusst mehr Modernismus und essayistische Elemente eingesetzt, sagt Lorentzen. Smith setze auf coole Art ein faszinierendes Mosaik urbaner Biografien zusammen. "NW London" sei authentisch, die Handlungsstränge der vier Protagonisten aus verschiedenen Klassenschichten seien geschickt ineinander verwoben.
Doch bei aller Up-tempo-Milieu-Authentizität wirke das Ganze doch ein wenig steif und konstruiert, um nicht zu sagen: herzlos, kritisiert die "Süddeutsche Zeitung". Lorentzen teilt diese Meinung nicht, im Gegenteil die Abkehr von der traditionellen Erzählstruktur mache das Werk so interessant und kurzweilig. Er gibt aber zu, der Einstieg sei nicht leicht.
Im zweiten und dritten Teil des Buches würde man aber ohne Probleme vollends in Smiths Welt eintauchen. Die Mühe lohne sich, schreibt auch die "New York Times", in ihren besten Momenten sei Zadie Smiths Prosa magisch.