"Sonnenkönigin" Ariane Mnouchkine ist 75

Die große Dame des französischen Theaters, die Regisseurin Ariane Mnouchkine wird heute 75 Jahre alt. Seit einem halben Jahrhundert leitet sie das Theatre du Soleil.

Kulturjournal, 04.03.2013

Darüber, was politisches Theater ist, lässt sich ausgiebig diskutieren. Darüber, dass Ariane Mnouchkine eine Ausnahmeerscheinung des europäischen Nachkriegstheaters ist, nicht. Mnouchkine hat mit dem Theatre du Soleil ein Theater gegründet, mit dem sie eine ungerechte Gesellschaft verändern will. Heute, am 3. März, feiert die Prinzipalin ihren 75. Geburtstag.

Fünf Jahrzehnte Engagement

Seit 50 Jahren glaubt Mnouchkine an den Einfluss des Schauspiels auf die Wirklichkeit und seit 50 Jahren arbeitet sie mit denselben Akteuren. Auch deshalb ist sie einzig. In einem weitgehend von Männern dominierten Metier regiert sie über ein Kollektiv, mit dem sie seit fünf Jahrzehnten weltweit Triumphe feiert. Nur wenige sind ihrem Engagement und ihrer Vorstellung von Theater so treu geblieben wie die französische Theatermacherin.

Mnouchkine betreibt mit ihrem 1964 gegründeten Sonnentheater ein politisch-moralisch motiviertes Theater. Sie thematisiert Zeitgeschichte. Das vor etwas mehr als drei Jahren aufgeführte Stück "Les Naufrages du Fol Espoir" (Schiffbruch mit verrückter Hoffnung - Morgenröte) handelt davon, wie es durch Dummheit und Gier zu zwei Weltkriegen kam. Das Werk lehnt sich an die posthum entdeckte und unvollendete Arbeit von Jules Verne an, "Die Gestrandeten der Jonathan", die die Romanautorin und Freundin Helene Cixous überarbeitet hat. Zuvor führte sie "Die letzte Karawanserei" auf, ein gesellschaftskritisches Stück zum Thema Flüchtlinge.

Gleich ob sie die griechischen Tragödien von Euripides und Aischylos oder die Machtkämpfe eines Shakespeare inszeniert, in keiner ihrer Aufführungen fehlt der politische Bezug zur Gegenwart. Den internationalen Durchbruch schafften sie und ihre international zusammengewürfelte Truppe mit den grandiosen Revolutionsstücken "1789" und "1793". Ihnen folgte das Politstück "L'age d'or" (Das goldene Zeitalter), das die Lebensgeschichte eines algerischen Immigranten von seiner Ankunft in Marseille bis zu seinem Tod an einer Hauswand beschreibt.

Alle arbeiten alles

Mnouchkine gibt nur selten Interviews. Wie sie es geschafft hat, ein bis zu 60 Schauspieler großes Kollektiv 50 Jahre lang zusammenzuhalten, bleibt deshalb weitgehend ihr Geheimnis. Was man weiß: Sie fordert von ihren Schauspielerin keine akademische Ausbildung, legt Wert auf Tanz, Gesang und die Bereitschaft, alle im Theater anstehenden Arbeiten selbst zu leisten. So verkaufen sie den Zuschauern Wein und belegte Brötchen und Mnouchkine reißt die Eintrittskarten ab.

Es gilt Gleichberechtigung bei der Arbeit und gleiche Bezahlung für alle. Von einigen Schauspielern weiß man aber auch, dass sie mit eiserner Hand über ihr Sonnentheater herrscht, das seit 1970 in einem ausgedienten Patronenlager, der historischen Cartoucherie des Schlosses von Vincennes, ihre ständige Bleibe gefunden hat.

"Ich glaube an die Verzauberung"

Das politische Engagement beschränkt sich schon lange nicht mehr nur auf das Theater. Die Linksintellektuelle und Tochter des aus Russland emigrierten Filmproduzenten Alexandre Mnouchkine nahm 1996 vorübergehend schwarzafrikanische Asylanten in der Cartoucherie auf, 1995 war sie in einen Hungerstreik für ein "multi-ethnisches Bosnien" getreten und 1979 wirkte sie bei der Gründung eines internationalen Vereins zur Verteidigung von Künstlern und Künstlerinnen mit.

Berauschende Detailarbeit, Musik, Tanz, Akrobatik: Ihre Inszenierungen sind ästhetische Feuerwerke, die Elemente des orientalisch-asiatischen Theaters integrieren wie Masken, Pantomime und Schattenspiel. Selbst ihre düstersten Stoffe erdrücken nicht. "Ich glaube an das Licht. Ich glaube an die Verzauberung. Ich glaube an die Anregung durch Schönheit, Licht, Hoffnung, Freude, Lachen, Tränen. Ich denke, dass sie die Vermittler von Gedanken und des Lebens sind", sagte Mnouchkine. Ihre Truppe heißt nicht zufällig "Sonnentheater".