Kulinarische Kunst im Augarten

"Supper Club" heißt eine Veranstaltung der Thyssen-Bornemisza Art Contemporary Stiftung, bei der alle zwei Wochen Künstlerinnen ein Abendessen mit Performances und Kunst zu einem anderen Thema gestalten. Abgehalten werden diese kulinarischen Abende im Restaurant "Die Au" im Augarten.

Angerichtete Würmer und Heuschrecken

(c) Markus Taxacher / TBA21, 2014

Zu den bisherigen Gastgebern gehören Daniel Spoerri, Peter Kubelka, Atelier van Lieshout und Superflex. Heute Abend sind zwei junge Elektronik-Musiker aus der Ukraine bei der TBA21 in Wien: Zavoloka und Kotra sind ihre Künstlernamen. Zavoloka und Kotra geben an, richtiggehend froh zu sein, kurz aus Kiew weg zu kommen, um in Wien heute den "Supper Club" zu zelebrieren, denn die letzten Wochen in der Ukraine seien aufreibend gewesen.

Kulturjournal, 20.03.2014

Gemeinsam und Solo machen Zavoloka und Kotra experimentelle, elektronische Musik. Zavoloka ist eine junge Musikerin und Grafikerin aus Kiew, die mit vollem Namen Kateryna Zavoloka heißt, und Kotra ist das Pseudonym des Musikers und Produzenten Dmytro Fedorenko, ebenfalls aus Kiew. Beide betreiben das Label Kvitno, das ukrainische und internationale Musiker herausbringt.

"Die experimentelle Musik-Szene in der Ukraine ist sehr überschaubar und hat sich in den letzten zehn Jahren auch nicht besonders weiterentwickelt", sagt Dmytro Fedorenko: "Es gibt vielleicht drei bis vier Lokale in Kiew, wo solche Musik zu hören ist. Es gibt keine Förderungen, aber alles folgt dem Do-it-yourself Prinzip, aber die Künstler und Musikerinnen schaffen alles selbst."

Nach Wien mitgebracht haben Zavoloka und Kotra eigene Musik, aber auch unbearbeitete Aufnahmen, die während des Umsturzes in der Ukraine aufgenommen worden sind. Diese Sounds von besonders aggressiven und explosiven Ereignissen werden in einer Performance beim "Supper Club" mit Musik gemischt, sagt Kateryna Zavoloka.

Audioaufnahmen vom Maidan

Zavoloka und Kotra haben während der Proteste gegen die Regierung Janukowitsch jeden Tag auf dem Maidan verbracht - weg waren sie nur kurz, um Schlaf nachzuholen: "Es heißt, dass die Revolution die Zivilgesellschaft aufgeweckt hat", so Fedorenko. "Die Ereignisse haben Leute geeint, die einander vorher nicht zugehörig gefühlt haben. Man spürt, dass die Menschen etwas bewegen und bewirken wollen."

In erster Linie waren sie als Demonstranten dabei, jedoch haben sie nebenher Audioaufnahmen gemacht, die die Stimmung widerspiegeln, sagt Kateryna Zavoloka: "Die Atmosphäre auf dem Maidan war sehr wechselhaft: angespannt und sehr konzentriert, dann wieder freudig ausgelassen, manchmal alles auf einmal. Das kommt in den Audioaufnahmen, die wir dort gemacht haben, gut rüber - man versteht die Stimmung, auch wenn man kein Wort Ukrainisch versteht."

"Symphonie der Revolution"

"Die Straßengeräusche waren einfach zu schön, um sie nicht aufzunehmen", meint Zavoloka. "Zum Beispiel gab es Marschrhythmen zu hören, wenn Leute mit Stöcken auf Autobusse und Metallteile geschlagen haben. In Kombination mit Detonationen und Schüssen klang das wie eine Symphonie der Revolution. Für mich ist das, was sich auf dem Maidan abgespielt hat, Kunst. Nur ist es im Moment schwer für uns, die Ereignisse künstlerisch zu verwerten, weil wir noch mitten in der Revolution sind und fast Krieg haben. Wir können derzeit nur Eindrücke sammeln. Was wir damit machen, wird sich später weisen."

Die Geräuschkulisse in Kiew hat sich beruhigt, erzählt Kotra, am turbulentesten war es am 19. Februar, als zahlreiche Menschen bei den schweren Straßenkämpfen umkamen. Die Aufbruchsstimmung sei in Kiew nicht verebbt - es herrscht großes Interesse an den Entscheidungen der Regierung, die es bald zu treffen gilt. Dennoch: Der Konflikt mit Russland um die Halbinsel Krim gibt Anlass zu Sorge und Unruhe. Auf die Frage, welche Entwicklung er im Krim-Konflikt erwarte, antwortet Dmytro Fedorenko, er befürchte eine Patt-Situation, die jahrelang anhält, ähnlich wie in Abchasien.

Am Menüplan: Traditionell-Ukrainisches

In Brüssel tagen heute die europäischen Staats- und Regierungschefs, um Antworten auf die Annexion der Krim durch Russland zu finden. Morgen soll bei diesem EU-Gipfel im Beisein vom ukrainischen Interims-Regierungschef Arseni Jazenjuk das politische Kapitel des Assoziierungsabkommens unterzeichnet werden. Dieses sieht eine stärkere Rechtsangleichung zwischen der EU und der Ukraine vor. Wirtschaftssanktionen der EU gegen Russland sind unter den EU-Mitgliedsstaaten umstritten.

"Wirtschaftssanktionen wären sicher gut, aber es wäre auch notwendig, dass man sich in Europa Vermögenswerte genauer ansieht, deren Ursprung angeblich unbekannt sein soll", sagt Fedorenko. "Das betrifft den politischen Block des Assoziierungsabkommens zwischen der EU und der Ukraine - es wäre toll, wenn das zustande kommt und darüber hinaus noch die Einreisebestimmungen für uns gelockert würden. Nach Europa einzureisen, ist für uns immer noch ein großer bürokratischer Aufwand", sagt Dmytro Fedorenko vom Duo Zavoloka und Kotra, das heute beim "Supper Club" der TBA21 im Wiener Augarten auftritt.

Am Menüplan stehen traditionelle, ukrainische Speisen: gefüllte Teigtaschen, Kohlrouladen und Palatschinken. Zum Trinken wird ukrainischer oder polnischer Wodka gereicht, nicht jedoch russischer - dieser sei von niedrigerer Qualität, meinen Zavoloka und Kotra. Diese Beurteilung sei jedoch den hohen Lebensmittelqualitätsstandards in der Ukraine zuzuschreiben, beeilen die beiden Musiker sich hinzuzufügen, und habe nichts mit dem politischen Konflikt zu tun.

Der "Supper Club" beginnt heute um 19 Uhr im Restaurant "Die Au" im Wiener Augarten. Die nächste Ausgabe des Kunst-Dinners ist dann in zwei Wochen. Der Preis ist 23 Euro - darin ist der Wodka inbegriffen - und eine Reservierung ist erforderlich. Informationen gibt es auf der Homepage von TBA21.

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