Schlepperprozess geplatzt: Angeklagte frei

Knalleffekt im Schlepperprozess in Wiener Neustadt, wo acht Flüchtlinge wegen angeblicher Schlepperei vor Gericht stehen: Die Richterin vertagte nach wenigen Tagen das Verfahren, weil sie Ermittlungsfehler sieht. Und sie riet den Verteidigern sogar, die Enthaftung ihrer Mandanten zu beantragen. Dem ist die Staatsanwältin heute zuvor gekommen: Die Männer sind bereits auf freiem Fuß.

Demonstranten mit dem Spruchband "Release all Refugees"

Kundgebung vor Beginn des Prozesses wegen Schlepperei vor dem Landesgericht Wiener Neustadt.

(c) APA/HERBERT PFARRHOFER

Mittagsjournal, 27.3.2014

"Hut ab vor der Richterin"

Nach wenigen Verhandlungstagen ist es auch schon wieder vorbei. Verhandlung vertagt. Schon gestern hat es der Richterin gereicht: Mit diesen Fakten könne sie nicht weiterarbeiten, sie wolle eine Vertagung des Verfahrens auf unbestimmte Zeit. Eine Ohrfeige für Polizei und Staatsanwaltschaft, sagt Philipp Bischof, einer der Verteidiger: "Es war glaube ich ein Ergebnis der Entwicklungen. Die Staatsanwaltschaft hat offenbar eingesehen, dass auf jeden Fall Unverhältnismäßigkeit gegeben ist, und ich würde einmal sagen, das polizeiliche Kartenhaus wackelt ordentlich."

Eine Vertagung in diesem Stadium des Verfahrens, weil die Anklage für die Richterin verwirrend sei, komme in dieser Art nicht so oft vor, sagt auch Rechtsanwalt Gerhard Angeler: "Hut ab vor der Vorsitzenden des Schöffengerichtes, denn das bedarf einiges Mutes zu sagen: Nein, auf der Basis arbeite ich nicht weiter."

Ministerin schweigt

Dass die Angeklagten Teil einer großen Schlepperorganisation sind, das hat ihnen die Anklage vorgeworfen, und auch Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) sprach im Vorwahlkampf zur Nationalratswahl von menschenverachtenden Praktiken der Schlepper. Heute wollte sich die Ministerin dazu nicht äußern und verweist auf den Chef des Bundeskriminalamts Franz lang. Von einer Blamage für die Polizei will der nicht sprechen. Aber man werde genauer arbeiten müssen: "Ich möchte das Wort schlampig hier nicht in den Mund nehmen. Wir werde uns mehr Zeit nehmen müssen und dies auch in andere Kontinente, in fernere Länder, präzis und genauer aufarbeiten."

Polizei will künftig präziser arbeiten

Im Verfahren hat sich auch herausgestellt, dass bei den polizeilichen Einvernahmen offenbar nicht ganz genau gedolmetscht wurde. Die Aussagen der Männer, die Urdu, Punjabi und Dari sprechen, sind laut Verteidigern nicht korrekt wiedergegeben. Man werde nachbessern, sagt Franz Lang: "Man arbeitet immer mit relativ großen Risiken. Dort, wo es um Übersetzungen aus verschiedenen Dialekten aus dem Hindukusch geht, allein Dolmetscher aufzustellen, auch jene, die bereit sind, Übersetzungen zu leisten, ist immer ein gewisser Risikobereich. Wir werden hier noch präziser arbeiten müssen."

Heute ist der letzte Angeklagte noch befragt worden, wie es jetzt weitergeht, wird die Richterin in Kürze entscheiden, so Gerichtssprecher Hans Barwitzius. Die Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt hat für die Vertagung kein Verständnis. Und sie bleibt dabei: Der verdacht der Schlepperei gegen die Männer sei nach wie vor aufrecht.

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