"Viva La Liberta": Politik auf italienisch
Dass sich Politik vorwiegend in eingeschliffenen Ritualen abspielt und dass sich damit kaum mehr Wähler begeistern lassen, ist eine bekannte Tatsache. Doch was kann man dagegen tun? Der italienische Film mit dem schon bezeichnenden Titel "Viva La Libertá" findet Abhilfe in einer vorsätzlichen Verwechslung.
8. April 2017, 21:58
In der Hauptrolle eines Parteichefs ist Toni Servillo zu sehen, zuletzt auch Hauptdarsteller im Oscar-prämierten Film "La Grande Bellezza".

(c) Polyfilm Verleih
Mittagsjournal, 1.4.2014
Plötzlich ist alles anders. War Enrico (Toni Servillo) in den Tagen zuvor noch der Buhmann seiner Partei, so fliegen ihm nun die Herzen zu. Über Nacht ist aus dem Langweiler und Umfragen-Verlierer ein eloquenter Volksvertreter geworden, der nicht nur vor humanistischer Bildung, sondern auch vor Direktheit nur so sprüht. Was ist da passiert? Nur ein kleiner Kreis weiß, dass Enrico eigentlich verschwunden ist, und der exzentrische Zwillingsbruder Giovanni seinen Platz eingenommen hat.
Rhetorisch belanglos
Dieser Quasi-Stellvertreter ist ein dramaturgischer Freibrief, um politische Unsitten aller Art auf erfrischende Art bloßzustellen, die Entfremdung vom Volk, die Intrigen innerhalb der eigenen Partei, die Fokussierung auf den Machterhalt, die Fantasie- und Mutlosigkeit eines politischen Geschäfts, das nur auf Taktik abzielt, die Unerträglichkeit rhetorischer Belanglosigkeiten.
Kinofan und Tangotanz
Der Rundumschlag allein gegen die systematische Wählerenttäuschung inklusive Seitenhiebe auf die italienische Linke bliebe aber banal, wenn Regisseur Roberto Andó nicht noch eine ganz andere, melancholische Seite eröffnen würde, jene, die das Verhältnis von politischer Schablone und privater Person auslotet, denn auch Politiker sind Menschen mit Vorlieben und Neigungen, die sie als Funktionäre gerne verleugnen. Parteivorsitzender Enrico etwa ist ein Kinofan, Bruder Giovanni ein begnadeter Tangotänzer und Pianist.
Institutionenkritik
Freilich hat Regisseur Roberto Andó seinen Spaß, sich die Institutionen des Landes vorzuknöpfen, vom Staatspräsidenten abwärts, doch im Kern arbeitet er sich mit burlesker Finesse an der Frage ab, was man gewinnt, wenn man in die Politik geht, und noch mehr, was man verliert.