Internet-Drama "Disconnect"

"Disconnect" gehört zu jenen kleinen Meisterwerken, die es trotz namhafter Darsteller gar nicht oder erst mit Verspätung ins Kino schaffen und in der Masse von Filmen, die jedes Jahr serviert werden, unterzugehen droht. Henry Alex Rubin erzählt ein intelligent konstruiertes Episodendrama und zeigt den dramatischen Einfluss des Internets auf das Zeitgeschehen.

Morgenjournal, 29.4.2014

Ein Mann, ein Vertreter des Mittelstands, verliert sich immer mehr im Online-Pokerspiel, seine Frau findet Trost für ihr verunglücktes Kind im Chat einer Selbsthilfegruppe. Eine Journalistin wittert eine große Ausbeuter-Story als sie in einem Erotik-Chatroom einen illegal beschäftigten Jugendlichen kennenlernt, und zwei Teenager fälschen ein Profil in einem sozialen Netzwerk, um einen introvertierten Schulkollegen zum Narren zu halten.

Der Film "Disconnect" vereint lose drei Episoden aus der virtuellen Welt und schreibt ihre tragischen Verlängerungen in der realen Welt weiter, denn plötzlich sind Bankkonten abgeräumt, passiert ein Selbstmordversuch, stehen eine Karriere und eine menschliche Existenz vor den Trümmerhaufen allzu forscher Profilierungssucht.

Vermeintliche Seelenpartnerschaften

Dass Regisseur Henry-Alex Rubin seinen Film schon vor mehr als drei Jahren gedreht hat, sieht man seinen schablonenhaft und etwas antiquiert wirkenden Beispielen an. Doch Rubin will ohnehin über einfache Zustandsbeschreibungen hinaus.

Er betreibt lebensnahe Ursachenforschung: Warum geben Menschen im Internet Dinge preis, die sie in der Wirklichkeit nie verraten würden. Es sind oft Einsamkeit, unausgelebte Wünsche und Sehnsüchte, vermeintliche Seelenpartnerschaften und Projektionen der Hoffnung, denen man einen übermäßigen Vertrauensvorschuss einräumt.

Glaubhafte Argumente

Nach und nach lotet der Film die Fantasieblasen aus, denen Menschen im Internet erliegen und stellt viele Warnschilder auf. Dabei versucht er sie in unheilvollen Kettenreaktionen, mit differenzierten Täter-Opfer-Mustern und glaubhaften Argumenten in das Bewusstsein der Kinozuseher einzumauern.

Der Titel "Disconnect" ist aber doch missionarischer als der Film selbst. Überhaupt würde das wohl schwierig werden.