EU-Spitzen-Debatte über Finanz- bis Ukraine-Krise

Eine besondere Premiere hat gestern im EU-Parlament in Brüssel stattgefunden: Eine Woche vor den EU-Parlamentswahlen trafen erstmals die fünf Spitzenkandidaten der EU-Parlamentsfraktionen zu einer Debatte aufeinander, mit live TV-, Radio- und Internetübertragung in mehr als 30 Länder. Das Themenspektrum reichte dabei von der Jugendarbeitslosigkeit über die Wirtschafts- und Finanzkrise bis hin zu der Lage in der Ukraine.

Debatte der Kandidaten für die Psäsidentschaft des EU-Parlaments

(c) Olivier Hoslet,EPA

Morgenjournal, 16.5.2014

Was tun gegen Arbeitslosigkeit?

Es ist eine zutiefst europäische Debatte: mehrsprachig, mit strengen Regeln bei der einminütigen Redezeit und ein bisschen chaotisch. Das erste große Thema: die mehr als fünf Millionen europäischen Jugendlichen ohne Arbeit. Unterschiede werden erwartungsgemäß bei den Rezepten gegen die Jugendarbeitslosigkeit deutlich. Grüne, Linke und Sozialdemokraten wollen investieren, etwa mithilfe der Europäischen Investitionsbank, so der Spitzenkandidat der Sozialdemokraten, EU-Parlamentspräsident Martin Schulz. Erst müsse der Haushalt in Ordnung gebracht werden, fordern Liberale und Christdemokraten. Arbeit setze Arbeitsplätze voraus, die es ohne ausgeglichenen Staatshaushalt eben nicht gebe, so EVP-Spitzenkandidat Jean Claude Juncker.

Vorwürfe um Finanzkrise

Spar- gegen Investitionspolitik, dazu hat der griechische Spitzenkandidat der Linken Alexis Tsipras eine klare Meinung: "Machen wir uns nichts vor: Wenn wir mit der katastrophalen Sparpolitik weitermachen, werden wir die Arbeitslosigkeit nie lösen." - "Das Thema Schulden führt zur Bankenkrise. Die Steuerzahler hätten die Schulden der Banken übernehmen müssen", kritisiert die grüne Spitzenkandidatin die deutsche Ska Keller.

Der Belgier Guy Verhofstad, Spitzenkandidat des liberalen Alde-Bündnisses, verweist auf die Bankenunion als Errungenschaft der EU: Künftig müssten nicht mehr die Steuerzahler für die Schulden der Banken aufkommen. Die Schuld an der Finanzkrise liege aber auch bei einigen der südeuropäischen Länder selbst. Verhofstad spricht Griechenland und den griechischen Kontrahenten Tsipras direkt an: "Es war schlechte Politik in Ihrem Land mit den beiden Parteien Pazok und Nea Demokratia, das war der wirkliche Grund der Krise."

Jetzt wird es emotional: Alexis Tsipris schießt zurück: "Ja, es waren zwei Parteien, hauptsächlich die von Herrn Juncker und Herrn Schulz. Und wenn man sich die Griechenland-Krise anschaut, wird klar, dass die Medizin dem Patienten mehr geschadet als genützt hat."

Das kann wiederum der langjährige Vorsitzende der Eurogruppe, Jean-Claude Juncker, nicht auf sich sitzen lassen: "Ich habe jahrelang Tag und Nacht dafür gearbeitet, dass Griechenland in der Eurozone bleiben kann. Den Vorwurf, dass wir nicht ausreichend solidarisch mit Griechenland waren, kann ich nicht akzeptieren. Wir haben alles dafür getan, dass Griechenland in der Eurozone bleiben kann, und da ist auch sein Platz."

Russland-Sanktionen, ja oder nein

Der zweite große Themenbereich: die EU und die Welt. Im Zusammenhang mit der Krise in der Ukraine treten fast alle Kandidaten für schärfere Sanktionen ein - wenn Russland sein Verhalten nicht ändere, so Jean Claude Juncker. Nur einer ist gegen Sanktionen, der griechische Spitzenkandidat der Linken Alexis Tsipras: "Europa verwendet wieder die Sprache des kalten Krieges, das ist der falsche Weg. Die Wunden die Europa geteilt haben, können nicht mit Sanktionen geheilt werden." Alles in allem eine Debatte ohne große Überraschungen, aber mit etwas europäischem Charme.

Übersicht

  • EU-Wahl 2014