Die "Café Sonntag"-Glosse von Franz Schuh
Starreporter!
Wenn ich einmal, nein, nicht reich wär, wenn ich einmal ein Starreporter wär, ... Bitte mir würde es genügen, ein Star zu sein, aber es ist ja - auch wegen des Massenandrangs - viel schwieriger, ein Berühmter nur fürs Berühmtsein zu werden, ein Bekannter durchs Bekanntseins, also für nichts - das sind die eigentlichen Stars dieser Epoche, zu denen ich als arbeitender Mensch nicht einmal im Traum gehören werde.
8. April 2017, 21:58
Im Traum muss ich schon was tun, also: Starreporter! Ein Starreporter - was ist das? Das ist einer, der sich auf ein Thema spezialisiert hat, und immer, wenn das Thema drankommt, kommt auch er dran. Das Thema kann sehr allgemein sein, zum Beispiel Krieg, und wenn Krieg ist, gleich wo, kommt die Antonia Rados dran. Sie sitzt dann unter Zelten, der Ehrwürdigkeit ihrer Anwesenheit bewusst, und während die Drohnen an ihr vorübersausen erklärt sie die Lage.
Ein Starreporter kann natürlich auch geografisch gebunden sein, und sehe ich den Raimund Löw, wie er unaufhörlich eine Lage erklärt, wie er dafür sich ohne Rücksicht auf Verluste ins Zeug wirft, dann weiß ich, die Lage muss in Brüssel sein, weil ja der Löw in Brüssel ist, und wenn er seine Sache gut macht, verwechselt man allmählich Brüssel und Löw. "Du, Mama, die EU tagt wieder in Löw." - "Na, soll'ns halt tagen", sagt die Mama und sie muss wieder das Gschirr allein waschen, weil der Papa politisch interessiert ist.
Wenn ich einmal ein Starreporter wär', welche Sorgen tät ich mir dann machen? Na ja, wir Weltbürger aus Österreich sind ja nicht von Geburt an Spießer, ein bisschen haben uns die sogenannten "Medien" dabei geholfen, sie haben uns zu Voyeuren erzogen, die immer zuschauen, wenn anderswo Menschen etwas erleiden: Terror, Krieg oder Revolution. "Wenn hinten weit, in der Türkei, die Völker aufeinander schlagen", heißt es in Goethes "Faust", um die spießige Selbstzufriedenheit zu verspotten, mit der weit entfernte Schlachtfelder vom Publikum genossen werden. Die Türkei, für Goethe noch Symbol weiter Ferne, ist inzwischen so nahe gerückt, dass eine politische Partei aus Österreich zur Propaganda öffentlich stammeln lässt: TÜRKEI NICHT DABEI!
Die Notwendigkeit, den Leuten die Ferne nahezubringen, wird aber vom Mainstream immer noch Goethisch unterlaufen: "Nichts Bessers weiß ich mir an Sonn- und Feiertagen / Als ein Gespräch von Krieg und Kriegsgeschrei, / Wenn hinten, weit, in der Türkei, / Die Völker aufeinander schlagen. / Man steht am Fenster, trinkt sein Gläschen aus / Und sieht den Fluss hinab die bunten Schiffe gleiten; / Dann kehrt man abends froh nach Haus, / Und segnet Fried und Friedenszeiten."