Laue Premiere von "Die Neger"
Jean Genets Theaterstück "Die Neger" hatte schon lange vor Beginn der Wiener Festwochen wegen seines Titels für heiße Diskussionen und Aufregung gesorgt. Bei der gestrigen Premiere blieben dann die befürchteten Proteste aus. Und hätte es die hitzigen Rassismus-Debatten im Vorfeld nicht gegeben, die Produktion selbst hätte sie wohl nicht ausgelöst, entsprechend milde war der Applaus.
26. April 2017, 12:23
Morgenjournal, 4.6.2014

Felix Burleson als "Archibald" und Stefan Hunstein als "Archibald".
(c) APA/HERBERT PFARRHOFER
Die Dringlichkeit, die das Stück noch zur Zeit der Uraufführung, in der Zeit der antikolonialen Kämpfe, gehabt haben mag, erschließt sich heute nicht mehr. Die Provokation, die Genet beim weißen Publikum, für die er das Stück geschrieben hat, auslösen wollte, will nicht ankommen. Einen Spiegel wollte er den Weißen vorhalten, sie mit ihren Vorurteilen konfrontieren, und die Schwarzen gleichzeitig nicht als Opfer darstellen.
Dem kontroversen Thema nähert sich Genet mit radikaler Sprache und einer unglaublich komplizierten Stückkonstruktion - auf der Bühne findet als unendliche Spiegelung ein Theater im Theater im Theater - statt, Rollen- und Ebenenwechsel inklusive.
Die Darsteller/innen, unter ihnen Maria Schrader, sind ihrer Mimik beraubt. Gesichts- und geschlechtslos tragen sie schwarze oder weiße Pappmascheeköpfe ohne Augen, Nasen oder Mundöffnung, Handschuhe und lange Kleider.
Wenn sie hinter dem weißen Papierprospekt agieren, setzen sich ihre schwarze Silhouette aus den Spektralfarben zusammen - und alle werden gleich. „Was ist eigentlich ein Schwarzer ? Und zu aller erst welche Farbe hat er“ fragt Jean Genet im Vorwort zu seinem Stück.
Angeführt vom schwarzen Spielleiter Archibald, spielen die Schwarzmaskierten als Theatertruppe die sogenannten "Neger" - und bedienen rassistischen Klischees, wie jenes vom wilden schwarzen Mann, der eine weiße Frau vergewaltigt und umbringt. Die Weißmaskierten übernehmen die Rolle der über sie richtenden Kolonialherren, sind Königin, Gouverneur oder Missionar. Und die Theaterleiche, deren Ermordung von den Schwarzen rituell nachgespielt wird, ist eine nackte weiße Puppe, die aufgebahrt in der Mitte der Bühne liegt. Langsam und tropfend schmilzt sie dahin, am Schluss ist sie verschwunden.
Es ist ein Sinnbild für den ganzen Abend, von dem wenig haften bleiben mag, ein paar schöne Bilder, ein paar gute Sätze, und die Ahnung, dass Jean Genet in den "Negern" sein eigenes Außenseiterum thematisiert hat, dass er als homosexueller Künstler, Waisenkind, Häftling, Landstreicher und Desserteur wohl gekannt hat, wie kein anderer.
Ganz verständlich war nach diesem zweistündigen Theaterabend aber nur eines: Warum dieses Stück in den letzten Jahren kaum gezeigt wurde! Das mag diejenigen trösten, die keine Karten mehr bekommen haben.