Bibelkommentar zu Johannes 3, 16 - 18
„1+1+1 = 1“. Unter diesem Titel hat Philipp Harnoncourt im Jahr 2011 ein höchst anregendes Projekt durchgeführt. Anlässlich seines 80. Geburtstags hat der emeritierte Liturgiewissenschaftler eine Kunstinitiative gestartet. Thema: Dreifaltigkeit, Trinität.
8. April 2017, 21:58
Das Echo auf die Ausschreibung war enorm, viele Künstlerinnen und Künstler beteiligten sich. 420 Texte und 225 Bilder wurden eingereicht. Eine Auswahl davon konnte ich zu Beginn des heurigen Jahres im Kurhaus Marienkron sehen. Einige Texte und Bilder haben mich sofort angesprochen, zu anderen musste ich erst im Katalog nachlesen.
Nicht wenige Darstellungen würden, so schreibt Harnoncourt pointiert, „ein falsches Bild der Dreifaltigkeit suggerieren, als glaubten Christen an zwei Götter. Denn neben zwei Männern zählt ein Vogel wenig bis nichts. Ist aber zwischen oder unter den beiden Männern eine Frau in gleicher Größe dargestellt – Maria, gekrönt oder die Krone empfangend –, drängt ein Mensch, dem Vater und dem Sohn ranggleich, den Geist an den Rand. Auch die Bezeichnungen Himmelvater und Himmelmutter, deren Sohn Jesus ist, weisen in diese falsche Richtung. „Unüberhörbar“, so Harnoncourt in seinem kritisch-kurzen Überblick, „unüberhörbar aber ist die Kritik von Juden und Muslimen, dass die Christen den Ein-Gott-Glauben verraten haben.“
„1+1+1 = 1“: Eine Formel, die herausfordernd über diesem Sonntag der Dreifaltigkeit steht; „Trinitatis“ seine evangelische Bezeichnung. Nicht weniger anfordernd aber sind die eben gehörten Bibelverse der römisch-katholischen Liturgie. Zufällig drei an der Zahl! Wie das Kapitel drei bei Johannes, das den größeren Kontext bildet. Konzipiert ist es als ein Nachtgespräch zwischen Jesus und Nikodemus, einem angesehenen Pharisäer. Vielleicht auf dem flachen Dach eines Hauses, nach der Hitze des Tages, wenn der Abendwind sich wohltuend erhebt. „Der Wind weht, wo er will“, heißt es da ein paar Verse zuvor, „du hörst sein Brausen, weißt aber nicht, woher er kommt und wohin er geht. Und“, fügt Jesus noch hinzu, „so ist es mit jedem, der aus dem Geist geboren wird“ (Joh 3,8).
Der Wind, der Geist. Klar unterschieden in der deutschen Sprache, ein einziges Wort jedoch im Original bei Johannes, nämlich Pneuma, lateinisch spiritus. Wind und Geist: für beides auch im Hebräischen nur ein Wort, nämlich Ruach. Ein Femininum. Sie, die bewegte Luft, die vom Westen, vom Mittelmeer her kommt und aufatmen lässt; sie bringt Feuchtigkeit, schenkt Wachstum den Pflanzen und Tieren. Als Ruach Elohim – so der große Schöpfungshymnus am Anfang der Bibel – als Ruach Elohim „vibriert sie über den Wassern“ (Gen 1,2). „Wenn jemand nicht aus Wasser und Ruach geboren wird“, sagt Jesus zu Nikodemus, aus dem reinigenden Wasser der Taufe und aus der göttlichen Lebenskraft, „kann er nicht in das Reich Gottes hineingehen“ (Joh 3,5).
Der Evangelist Johannes lässt in seinem Nachtgespräch Jesus erstmals über seine Sendung reden: „Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab“ (V.16a), „damit die Welt durch ihn errettet werde“ (V.17b). Da kommt der Himmel auf die Erde: ein mitleidender Gott in der Person des Mannes aus Nazaret. „Und jeder, der an ihn glaubt, wird ewiges Leben haben“ (V.16b). Gottes heilsames Tun erhellt sich in den Stichworten „lieben“, „retten“ und „ewiges Leben“. Einfach und klar die Antwort des Menschen: „glauben“. Besser umschrieben mit credere im Lateinischen: „cor dare“, mein Herz geben, meine Mitte, meinen Personkern öffnen.
Wenn aber einem Menschen alles angeboten wird, was er zum Leben braucht und er verweigert sich? „Wer nicht glaubt, ist schon gerichtet“ (V.18b). Johannes nennt das die Krisis, die Ent-Scheidung. Verurteilt er damit jene, die bisher Gott als fern erfahren haben und ihre Tage als leer und dunkel empfinden? Keineswegs, meine ich. Denn unmittelbar nach den drei Versen des gehörten Evangeliums lässt er Jesus ermutigend sagen: „Wer die Wahrheit tut, kommt ans Licht“ (Joh 3,21a).
„1+1+1 = 1“: Seit Kindertagen habe ich die Kraft der Drei-Einigkeit erlebt. Denn immer wenn ich länger von zu Hause weg gefahren bin – zum Studium nach Wien oder auf Bibelreisen nach Israel, Jordanien oder Syrien – immer dann hat mir meine Mutter drei Kreuzerl auf die Stirn gemacht. „Komm wieder gut heim! Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.