Lernen, wie es uns gefällt
Wie wir Schule machen
Alma, Jamila und Lara-Luna sind 13, 14 und 15 Jahre alt und gehen gerne in die Schule. Alma, Jamila und Lara-Luna besuchen die (2007 gegründete) Evangelische Schule Berlin Zentrum - eine Gemeinschaftsschule: keine Noten, keine Klassen, sondern Lernbüros und Fächer wie "Verantwortung" und "Herausforderung".
8. April 2017, 21:58
"Wir kommen morgens in die Schule und gehen auf die Baustelle", beschreiben Alma, Jamila und Lara-Luna das Gefühl, mit dem sie ihren Schultag beginnen.
Zitat
Wir sehen erst einmal Bausteine. Die stehen im Regal und sind etwa so groß wie Karteikästen. Wir nennen sie Bausteine, es sind natürlich keine. Sondern Kästen aus Holz mit Karten drin. Auf diesen stehen Arbeitsaufträge, was zu tun ist.
Jeder aus ihrer Schule hätte das Buch schreiben können, erzählen die drei Mädchen beim Interview, für uns ist unsere Schule ja normal, meint Alma.
Kein Kampf um Bestnoten
Alma, Jamila und Lara-Luna lernen auf andere Art und Weise. Am Vormittag gibt es statt fixem Stundenplan vier Lernbüros - Mathe, Deutsch, Englisch und Natur & Gesellschaft - welches Fach sie wann erledigen, das können sie sich selbst aussuchen. In jedem Lernbüro ist ein Fachlehrer anwesend - es gilt allerdings die Regel: Frage erst einen deiner Mitschüler, erzählt Jamila.
Den ehrgeizigen Kampf um die meisten Punkte bei Schularbeiten und um die besten Noten kennen die drei Schülerinnen der Evangelischen Schule Berlin-Zentrum nicht. Es gibt auch keinen gemeinsamen Test für alle Schüler, erzählt Alma.
Zu Fixpunkten im Schulalltag von Lara-Luna, Jamila und Alma gehören Projekte, zum Beispiel eine Projektwoche im Fach "Geschichte" zur Trennung Deutschlands.
Zitat
Und dann hatten wir Projektwoche, und wir waren baff, als wir montags in die Schule kamen. Denn da standen zwei Tische gleich am Eingang und alle mussten sich in eine Reihe stellen. Und als man dran war, schauten die Lehrer auf eine Liste und haben dich eingeteilt. Entweder du warst jemand aus dem Westen oder aus dem Osten. Wir haben Pässe bekommen und neue Namen. Und in der Schulküche gab es zwei verschiedene Essen. Das eine war besser als das andere, denn viele Sachen wie zum Beispiel Südfrüchte gab es in der DDR damals ja nur selten.
Gegen starre Lehrpläne
Immer wieder kommen im Buch auch Erwachsene zu Wort. Von der Elternvertreterin der Evangelischen Schule Berlin Zentrum hört man, dass die Schule natürlich auch den Eltern einiges abverlangt: Die Eltern müssen ihre Kinder loslassen.
Zitat
Elternvertreterin: Wir machen viele Dinge anders, und manchmal ist das auch wirklich sehr anstrengend für alle. Wenn ein 13-jähriges Mädchen plötzlich eine Herausforderung wählt, welche den Eltern Angst einjagt - dann kann das schon an den Nerven zehren. Wenn sich Kinder allein auf einen Weg machen, nur mit einem Notfallhandy des Begleiters erreichbar - das ist schon eine Zumutung. Da klopft auch vielen das Herz, die sich sonst als eher entspannt erleben.
Die Schülerinnen kritisieren in ihrem Buch das Schulsystem und seine starren Gesetze und Paragraphen - in diesem System etwas zu verändern, sei nicht unbedingt einfach.
Zitat
Da haben es Einzelne schwer, auszubrechen, aber es gibt an allen Schulen Menschen, die etwas verändern wollen. Wir kennen durch unsere Fortbildungen immer mehr Lehrer, die würden es gerne anders machen und wollen das versuchen. Uns haben viele Lehrer erzählt, dass es schwer ist, wenn sie alleine etwas verändern wollen. Eine Lehrerin aus Ravensburg meinte, dass die Eltern in ihrer Grundschulklasse dagegen sind, freies Arbeiten einzuführen oder Noten abzuschaffen, weil sie Angst haben, dass ihre Kinder nicht genug lernen.
Ganz normale Schülerinnen
Alle reden immer von der PISA-Studie, mit der sich jeder verrückt macht, beschweren sich die Autorinnen, deswegen haben sie auf den letzten Seiten des Buches einen eigenen PISA-Fragebogen erstellt und wollen wissen: Wie gerne gehst du in die Schule? Nenne drei Eigenschaften, die ein Lehrer haben muss, damit er für dich ein guter Lehrer ist. Und was motiviert dich, in die Schule zu gehen?
"Wie wir Schule machen" erzählt salopp und in forderndem Teenager-Ton, wie Schule anders funktionieren kann. "Wir sind trotzdem ganz normale Schüler und Schülerinnen", beschwichtigt Alma: Jeder hat ein Fach, das er nicht mag, und jeder hat mal keine Lust, in die Schule zu gehen.
Service
Alma de Zárate, Jamila Tressel, Lara-Luna Ehrenschneider, in Zusammenarbeit mit Uli Hauser, "Wie wir Schule machen. Lernen, wie es uns gefällt", Knaus Verlag