"La Traviata" am Theater an der Wien
Der deutsche Opernregisseur Peter Konwitschny sorgt mit seinen Regiearbeiten immer wieder für Gesprächsstoff. An der Grazer Oper landete er vor dreieinhalb Jahren mit seiner entschlackten, puristischen Deutung einen Triumph. Im Theater an der Wien wurde die Inszenierung neu einstudiert. Von der Grazer Besetzung ist einzig Sopranistin Marlis Petersen als Violetta wieder an Bord.
8. April 2017, 21:58

Marlis Petersen als "Violetta Valéry" und Gaia Petrone als "Annina".
(c) APA/WERNER KMETITSCH
Morgenjournal, 2.7.2014
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Theater an der Wien - La Traviata
Das Schicksal der todkranken Edelprostituierten Violetta ist so berühmt wie die Musik im Opernklassiker "La Traviata" - dabei vergisst man leicht, dass Giuseppe Verdi mit diesem Werk gleich mehrere gesellschaftliche Tabus gebrochen hat. Hier setzt Regisseur Peter Konwitschny mit seiner Inszenierung an: Für ihn ist "La Traviata" keine Liebesgeschichte, sondern handelt in erster Linie von einer Frau, die an ihrem Umfeld zerbricht.
Gekürzt und ideenreich
Kompromisslos und ohne romantische Umschweife konzentriert sich Konwitschny auf die menschliche Tragödie der Edelkurtisane Violetta. Die Oper ist auf eineindreiviertel Stunden ohne Pause gekürzt, Massenszenen wie der Stierkampf oder der Karneval entfallen. Als einzige Ausstattung dienen ein Sessel und sieben Vorhangreihen, die nach und nach mehr von der Bühne freigeben.
Konwitschny lässt vor allem die Musik die Handlung erzählen und wartet dennoch mit bemerkenswerten Ideen auf: So kommt Alfredos jüngere Schwester, die sein Vater als Druckmittel gegen Violetta benutzt, als stumme Rolle tatsächlich auf die Bühne; und am Ende stiehlt sich die illustre Gesellschaft, dargestellt vom Arnold Schoenberg Chor, auf dem Bauch robbend davon, um Violetta nicht beim Sterben zusehen zu müssen.
Jubel für das Ensemble
Auch wenn Alfredo schließlich zu seiner Geliebten zurückkehrt, ist er mit ihrem Tod doch heillos überfordert: Als es mit ihr zu Ende geht, läuft er schutzsuchend zu seinem Papa; hilflos besingen die Männer von den Sitzreihen aus die sterbende Violetta, die allein auf der Bühne zurückbleibt.
Grausam und doch berührend ist die Geschichte der Traviata in Konwitschnys Deutung, und auch die Sängerinnen und Sänger wirken authentisch: Marlis Petersen, die als Violetta 2011 in Graz ihr Rollendebüt gegeben hat, ist ohne Zweifel noch stärker in ihre Rolle hineingewachsen und wartet auch gesanglich mit vielseitiger Dramatik auf. Brillant auch der mexikanische Tenor Arturo Chacón-Cruz, der den Alfredo als verbummelten Studenten und Außenseiter verkörpert. Für einen authentischen Verdi-Klang sorgt das ORF-Radiosymphonierorchester Wien unter der Leitung der britischen Dirigentin Sian Edwards.
Mehrfacher Szenenapplaus während der gestrigen Premiere hat den uneingeschränkten Jubel am Ende bereits vorweggenommen. Dieser galt den Darstellerinnen ebenso wie der intelligenten Inszenierung, der die Neueinstudierung in Wien keineswegs geschadet hat - im Gegenteil.
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