Deutsche Mautpläne: Alle zahlen auf allen Straßen

Der deutsche Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) stellt heute seine Mautpläne vor. Einiges ist schon vorab bekannt geworden. So soll die Mautpflicht für alle Straßen gelten, zahlen müssen alle, also auch die deutschen Autofahrer. Die bekommen aber im Gegenzug Erleichterungen bei der KFZ-Steuer. Auf diese Weise will Dobrindt das EU-Recht aushebeln, das die Diskriminierung von Ausländern untersagt.

Mehrere aufgeklebte Vignetten

(c) dpa, Hase

Mittagsjournal, 7.7.2014

Vignette für Alle

Erste Details verriet Verkehrsminister Dobrindt am Wochenende, weitere Einzelheiten sickerten über Medien durch: Alle Autofahrer in Deutschland sollen ab Jänner 2016 die offiziell "Infrastrukturabgabe" getaufte Straßenbenutzungsgebühr bezahlen. Die deutschen Autofahrer sollen aber gleichzeitig über eine Umgestaltung der Kraftfahrzeugsteuer entlastet werden - und so unterm Strich nicht mehr Geld an den Staat abführen müssen als bisher. Für Autofahrer aus dem Ausland soll es eine Zehn-Tages-Vignette für zehn Euro und eine Zwei-Monats-Vignette für 20 Euro geben.

Berechnet wird die Maut für deutsche Autofahrer offenbar mit Hilfe eines komplizierten Systems. Die Maut soll laut "Bild"-Zeitung nach Motorgröße, Herstellungszeitpunkt des Autos und Umweltfreundlichkeit gestaffelt sein - je größer und älter ein Auto, umso höher die Maut. So sollen nach Juli 2009 zugelassene Benziner zwei Euro je 100 Kubikzentimeter (ccm) Hubraum kosten, Dieselfahrzeuge dagegen 9,50 Euro je 100 ccm Hubraum. Bei Autos, die vor 2009 zugelassen wurden, sollen bis zu 15,44 Euro pro 100 ccm fällig werden. Die Maut für ein Jahr würde so je nach Auto von 20 Euro bis über 150 Euro reichen. Wenigfahrer zahlen genauso viel wie Vielfahrer. "Die deutschen Autofahrer bekommen die Vignette per Post automatisch zugeschickt", sagte Dobrindt. Autofahrer aus dem Ausland sollen die Vignette an Tankstellen oder im Internet kaufen können.

Weniger Steuer für Deutsche

Zum Ausgleich wird auch die Kfz-Steuer für Pkw abhängig von Motorgröße und Umweltfreundlichkeit berechnet. Sie soll laut "Bild am Sonntag" so umgestaltet werden, dass jeder Autofahrer so viel weniger zahlt, dass sein Betrag für die Maut mindestens ausgeglichen ist. Offen ist, wie Autofahrer von der Maut entlastet werden sollen, die gar keine Kfz-Steuer zahlen, also etwa Besitzer von Elektroautos oder Schwerbehinderte.

Der Minister bezifferte die Einnahmen auf 2,5 Milliarden Euro "in einer Wahlperiode" - jährlich also rund 600 Millionen Euro. Dieses Geld werden nur die ausländischen Autofahrer aufbringen müssen. Das will Dobrindt erreichen, indem er alle Straßen mautpflichtig macht, nicht nur die Autobahnen, wie der "Spiegel" berichtet. Das eingenommene Geld soll zusätzlich in den Straßenbau fließen. Zu den Kosten des Systems ist bisher noch nichts bekannt.

Widerstand angekündigt

Die EU-Kommission pocht darauf, dass ausländische Autofahrer nicht benachteiligt werden. Verkehrskommissar Siim Kallas warnte deshalb schon mehrfach, dass die Maut nicht mit der Kfz-Steuer verrechnet werden dürfe, da so die ausländischen Fahrer, die diese Möglichkeit nicht haben, schlechter gestellt würden. Laut "BamS" ist Dobrindt aber überzeugt, dass sein Konzept durchgeht. Sein Argument: Die Regierung kann die Kfz-Steuer als nationale Steuer nach Gutdünken gestalten - sprich: pro forma unabhängig von der Maut.

Die Niederlande und Österreich haben bereits angekündigt, notfalls gegen die deutsche Maut zu klagen. Widerstand kündigte auch der verkehrspolitische Sprecher der konservativen EVP-Fraktion im EU-Parlament, der Niederländer Wim van de Camp, an. Er sagte dem "Focus", eine Maut nur für Ausländer sei diskriminierend, die EU-Kommission müsse standhaft bleiben. (Text: AFP, Red.)

Viel Ärger

Besonders überraschend ist der Plan des Ministers, die Maut auf alle Straßen auszudehnen. Das verärgert den Koalitionspartner SPD und Nachbarländer rund um Deutschland sowieso. Zu Recht, sagt der Verkehrsexperte der deustcehn Grünen, Anton Hofreiter: Das Konzept sei "absurd und unverantwortlich", das gebe es in ganz Europa nicht und bringe insbesondere die Grenzregionen in ökonomische Schwierigkeiten.

Im deutschen Koalitionsvertrag steht, dass deutsche Autofahrer durch die Maut nicht stärker belastet werden dürfen und dass sie mit EU-Recht vereinbar sein muss. Der letzte Schiedsrichter in dieser Frage wird sehr wahrscheinlich der Europäische Gerichtshof sein.