China: Wirtschaftswachstum fußt auf Schulden
Spekulationen über einen Wirtschaftsabschwung in China sind nicht neu. Pessimisten werden meist eines Besseren belehrt mit noch immer relativ robusten Wachstumsraten. Auf den ersten Blick sind die 7.5% Wachstum im zweiten Quartal auch tatsächlich beeindruckend. Doch warnen Experten vor den massiven Schulden, die in China mittlerweile angehäuft werden, um das Wachstum weiterhin hoch zu halten.
8. April 2017, 21:58
Morgenjournal, 2.8.2014
Zweifelhafte Bau- und Infrastrukturprojekte
Zwei Millionen Einwohner, einer der größten Häfen im Nordosten Chinas, der auch im Winter eisfrei ist - auf den ersten Blick hat die Hafenstadt Yingkou gutes Wachstumspotential. Doch am Stadtrand offenbart sich eine Krankheit, die überall im Land immer deutlichere Symptome zeigt. Ganze Stadtviertel wurden aus dem Boden gestampft. Und sie stehen leer. „Bis vor kurzem war hier noch ein Fischerdorf“ erzählt Frau Liu, die am Eingang zu einem heruntergekommenen Vergnügungspark Früchte verkauft. „Dann sind hier Wohnblöcke wie Pilze nach dem Regen aus dem Boden geschossen. Doch gibt es keine Jobs. Warum soll irgendjemand hier her ziehen.“
Yingkou ist kein Einzelfall. Mit Bau- und Infrastrukturprojekten, deren ökonomischer Sinn oft zweifelhaft ist, haben Kommunen und Provinzen die Wachstumsraten nach oben getrieben. Mittlerweile sind viele hoffnungslos überschuldet. Auf das Doping mit billigen Krediten folgt jetzt ein schmerzhafter Kater. Die Gesamtschulden in China, also jene des Staates, der Unternehmen und der Privathaushalte, sind mittlerweile auf einen Wert gestiegen, der gut das zweieinhalbfache der jährlichen Wirtschaftsleistung ausmacht.
Chinas Wirtschaftsmodell muss sich ändern
Ähnliche Verschuldungsquoten findet man auch in vielen westlichen Industrieländern. Doch haben sich Chinas Schulden allein in den vergangen fünf Jahren beinahe verdoppelt. Andere Staaten sind nach einem so steilen Anstieg der Schulden nicht selten in eine Bankenkrise gestolpert. Der Vorteil Chinas ist, dass alle wichtigen Banken sowie viele der hoch verschuldeten Unternehmen dem Staat gehören. Und nur ein sehr kleiner Teil der Gläubiger im Ausland sitzt.
Trotzdem: Chinas Wirtschaftsmodell muss sich ändern, um langfristig einen Absturz zu verhindern sagt der amerikanische Ökonom und China-Kenner Patrick Chovanec: "Chinas Wirtschaft ist an einem Wendepunkt angelangt. Das gesamte Wirtschaftsmodell hat sich abgenützt und muss sich ändern. Weg von einem Modell, das mit Schulden finanzierten Investitionen Wachstum erzeugt, hin zu einem Modell bei dem Nachfrage und Konsum Wachstum generieren. Auch wenn das kurzfristig ein niedrigeres Wirtschaftswachstum bedeutet. Es ist trotzdem der richtige Weg“.
China muss genügend Jobs schaffen
Ein weiterer Wachstumseinbruch ist politisch jedoch gefährlich. Weil jährlich bis zu 20 Millionen Chinesen neu auf den Arbeitsmarkt drängen, braucht China ein hohes Wachstum, um genügend Jobs zu schaffen und eine soziale Krise zu verhindern. Und so ist offizielle Wirtschaftspolitik derzeit widersprüchlich. China müsse auf qualitatives Wachstum setzen und könne geringere Wachstumsraten verkraften, sagt Premierminister Li. Doch passiert weiterhin das Gegenteil. Allein im Juni haben Chinas Banken um gut 20% mehr an Krediten vergeben als im Jahr zuvor. Und so erinnert China an einen Suchtkranker, der seine Dosis stetig steigern muss, um Ähnliches zu erzielen. Wobei der Trip jedes Mal ein wenig schlechter wird.