"Open House" für Wiener Bildungscampus

70 Gebäude, die großteils sonst nicht öffentlich zugänglich sind, öffnen am kommenden Wochenende ihre Türen. Bewohnerinnen, Hausverwalter und Menschen, die in diesen Bauwerken arbeiten, führen durch insgesamt 70 Häuser in Wien. Darunter ist auch eine neu errichtete Schule am Gelände des neuen Hauptbahnhofs: der Bildungscampus Sonnwendviertel. Architekt Georg Poduschka vom Büro PPAG hat sie entworfen.

Kulturjournal, 09.09.2014

Mit Beginn des Wintersemesters sind fünf erste Volksschulklassen in das neue Gebäude eingezogen. Es riecht nach neuen Möbeln, unbenützt und roh wirkt die Inneineinrichtung, doch die Lehrer und Lehrerinnen haben vor Schulbeginn mit bunten Buchstaben "Herzlich Willkommen"-Schriftzüge an die Wände und Tafeln angebracht.

Kindergarten, Volksschule und neue Mittelschule

Bunte Grafiken an den Betonwänden sollen helfen, die Orientierung zu erleichtern. Am Anfang kann sie nicht nur wegen der Größe des Gebäudes schwerfallen - immerhin werden hier 1.100 Kinder erwartet - aber auch wegen der unterschiedlichen Funktionen, die untergebracht sind. Der Bildungscampus ist für Kinder und Jugendliche bis ins Alter von 14 Jahren vorgesehen. Kindergarten, Volksschule und neue Mittelschule sind hier auf einem sogenannten Bildungscampus vereint.

Das Campus-Prinzip, also die Aufhebung der Trennung zwischen den Bildungseinrichtungen, erlaubt Mehrzwecksäle, wie etwa den Turnsaal, gemeinsam zu nutzen, es bringt aber auch eine Einsparung im Bereich der Verwaltung. Außerdem können Kinder - altersübergreifen - miteinander lernen und spielen, sagt Georg Poduschka.

Die drei Bildungseinrichtungen, also Kindergarten, Volksschule und Hauptschule, sind in drei eigenen Trakten untergebracht, aber teilen ein Gebäude in der gemeinsamen Mitte, wo gemeinsam genutzte Bereiche mit Bibliothek, Mehrzwecksaal und Turnsaal untergebracht sind.

Cluster und zentrale Marktplätze

Innerhalb der Bildungseinrichtungen gibt es sogenannte Cluster für jeweils rund 100 Kinder. Das sind vier Klassenräume - hier werden sie Gruppenräume genannt -, ein Teamraum und ein Projektraum, die um einen zentralen Raum angeordnet sind. Wie auf einem Marktplatz können sich die Kinder hier treffen, während des Unterrichts klassenübergreifend zusammenarbeiten und nach dem Unterricht lernen und Hausaufgaben machen. Die Volksschülerinnen essen auf dem Marktplatz - die älteren gehen zum Essen in einen anderen Gemeinschaftsraum.

Im Obergeschoß haben die Kinder von ihren Klassenzimmern, Zugang zu den Terrassen. Über Freitreppen gelangt man in den Hof und Garten. Noch ist der Freiraum nicht fertiggestellt, die Bäume müssen noch gepflanzt werden und Pflastersteine verlegt werden. Die Innenräume sind jedoch weitgehend fertig: Die Klassen sind mit digitalen Smart-Boards ausgestattet, statt mit Kreidetafeln, statt Frontalunterricht gibt es Tischgruppen und die Möglichkeit, Sesselkreise zu bilden.

Auch die Inneneinrichtung wurde teilweise von PPAG Architekten gestaltet, in Kooperation mit Pädagoginnen und Pädagogen, sagt der Georg Poduschka. Der Architekt lobt die Ausschreibung durch den Bauherrn, die Stadt Wien, die nicht die architektonische Umsetzung fertiger Lösungen forderte, sondern Wunschvorstellungen im Sinne der Kinder formulierte.

Vorbild Dänemark

Nachdem der Wettbewerb im Juni 2011 für den Entwurf von PPAG Architekten entschieden wurde, besuchten die Architekten Vergleichsbeispiele. Vor allem in Dänemark fanden sie Mehrstufen-Schulen, die auch mit Clustern und zentralen Marktplätzen arbeiten. Für den österreichischen Schulbau ist der Bildungscampus Sonnwendviertel in Musterprojekt, das den Standard für die nächsten Jahre setzen wird.

Der Bildungscampus Sonnwendviertel in Wien - ein zukunftsweisender Schulbau. Zu besichtigen ist er am 13. September zwischen 10 und 17 Uhr im Rahmen der Aktion "Open House". Rund 70 weitere Bauwerke sind am kommenden Wochenende öffentlich zugänglich und können besichtigt werden, Büro- und Gewerbebauten sind ebenso dabei, wie Wohnhäuser.