Peter Turrini zum 70. Geburtstag

Der Wortschnitzer

Theaterklassiker, das ist eine Zuschreibung, die er gar nicht mag. Peter Turrini schreibt weiter, weil er muss. Am 17. September wird sein Stück "C'est la vie" am Theater an der Josefstadt uraufgeführt.

Peter Turrini

(c) ORF/URSULA HUMMEL-BERGER

"Mein Vater war ein Holzschnitzer, ich bin ein Wortschnitzer." Peter Turrinis Vater war ein italienischer Gastarbeiter, der mit seiner Familie in Maria Saal, einem Kärntner Dorf, lebte. Genauso sorgfältig und respektvoll wie der Vater mit dem Holz mit seinem absoluten Gefühl für Form umgegangen ist, geht auch der Schriftsteller Peter Turrini seit Jahrzehnten mit der Sprache um. Talent reicht nicht, dazu gehören für ihn auch Fleiß und harte Arbeit, der Kampf um jeden Satz, um jedes Wort. Anders als seinem Vater, der fast immer schweigend und völlig zurückgezogen in der Werkstatt gearbeitet hat, geht es Peter Turrini um Kommunikation. Er schreibt, um damit die Menschen zu erreichen, ihr Gemüt, ihre Seele. Er will mit den Menschen reden, nicht zu ihnen. Keiner seiner Texte und schon gar nicht seine Stücke sollen die Menschen belehren, denn "Besserwisserei ist etwas für die Pädagogen und nicht für die Literaten".

"Theater ist Spielen mit der Welt"

Der Dramatiker weiß nur zu genau, dass das Theater seine Wirkung in einem Augenblick, in einem Moment entfaltet. Und das kann nur dann funktionieren, wenn auch die Sprache seiner Texte verstanden werden kann. Es bringt nichts, wenn den Menschen, so Turrini, vielleicht drei Monate später ein Licht aufgeht, wenn überhaupt. Denn eines darf Literatur für diesen Schriftsteller nicht sein, nämlich Selbstzweck. Vielleicht kann es, wenn es gut geht, so sein, dass die Menschen im Theater sehen, dass es auch anderen manchmal nicht gut geht, dass auch andere sehr damit kämpfen, mit diesem Leben zurechtzukommen. Vielleicht - und mehr will Peter Turrini auch gar nicht erreichen - hilft das den Menschen schon, dass sie wissen, dass sie nicht alleine sind.

Theaterstücke zu schreiben, bedeutet für diesen Dramatiker, Fragen zuzulassen und vielleicht so Antworten auf all das zu finden, was er im wirklichen Leben nur schwer verkraften kann. Dabei kann es um die Wirrnisse des eigenen Lebens aber auch um politische Ereignisse gehen. Theater ermöglicht es, das Leben noch einmal nachzustellen. Alles, was im Leben gefährlich ist oder sogar tödlich enden kann, ist am Theater möglich, ohne Schaden zu nehmen: "Theater ist Spielen mit der Welt und Nachstellen der Welt."

Wahrhaftigkeit, nicht Wahrheit

Es ist daher nur logisch, dass kurz vor Peter Turrinis 70. Geburtstag am 26. September wieder ein Stück uraufgeführt wird. "C'est la vie - Eine Revue". "C'est la vie" ist auch ein Lebens-Lauf, ein Stück, das mit dem Satz beginnt: "Wenn man auf die Welt kommt, weiß man nicht, ob man glücklich oder unglücklich wird." Es erzählt vordergründig die Lebensgeschichte Peter Turrinis: "Ich wurde am 26. September 1944 im Krankenhaus Wolfsberg im kärntnerischen Lavanttal geboren." Das ist gesichert, weniger gesichert und nicht mehr zu klären ist, wann genau der Schriftsteller geboren wurde. So steht es auf Seite 8 geschrieben.

Ja, es stimmt, es steckt viel vom Leben Peter Turrinis in diesem Stück. Trotzdem wäre es ein Irrtum zu glauben, dass diese Literatur nur eine Fortsetzung der Wirklichkeit ist. Sie nimmt ihren Ausgang in der Wirklichkeit, bei realen Ereignissen und realen Menschen. "Beim Schreiben verlasse ich die Wirklichkeit nachhaltig", betont Peter Turrini, aus Vorfindungen werden Erfindungen: "Dann bin ich ein Segelflieger der Worte."

Es geht auch in diesem Stück um Wahrhaftigkeit und nicht um Wahrheit. Wahrhaftigkeit entsteht aber nur dann, wenn man trotz allem ganz genau hinschaut. Dieser ganz genaue Blick gehört zu Peter Turrini wie seine Lebensgeschichte, in der die Kunst, die Literatur, sehr bald zum rettenden Anderen wurde.

Irritierend und verstörend

14 Jahre war Peter Turrini alt als er den Komponisten Gerhard Lampersberg und seine Frau Maja kennenlernte. Lampersberg hat er seine ersten literarischen Texte gezeigt. Zu der Zeit lebten am Tonhof, dem Anwesen der Lampersbergs, auch zwei Schriftsteller, H. C. Artmann und Thomas Bernhard: "Er hat mich nie beim Namen genannt." Und auch das sagt Thomas Bernhard im Stück: "Der dicke Tischlerbub soll herkommen. Verstehst du mich, oder kannst du mich nur stumpfsinnig anstarren? Du bist nicht ungefährlich. Bei jedem kann ich sagen, wie sein Leben weitergeht, aber bei dir weiß ich einfach nicht, was in deinem fetten Kopf vor sich geht (...) Dein Blick stört mich. Ich glaube, die einzige Möglichkeit, dich loszuwerden, ist ein Unfall. Du müsstest von einer Straßenwalze überfahren werden."

Thomas Bernhard hat Peter Turrini schon als Heranwachsender irritiert. Später hat er dann das Publikum mit seinem Stücken nachhaltig verunsichert und anfangs auch immer wieder für Skandale gesorgt. Seit 1971 schreibt er, weil er nicht anders kann. "Rozznjogd", "Sauschlachten", "Die Minderleister", "Kindsmord", aber auch in der Volksoperette "Jedem das Seine" (2007, gemeinsam mit Silke Hassler). In all diesen Stücken geht es, wie schon die Titel andeuten, um Menschen, darum, wie sie miteinander umgehen, was sie einander antun, wie sie sich gegenseitig zurichten und sogar umbringen.

Der Blick Peter Turrinis auf diese Menschen ist ohne jede Bösartigkeit, aber klar und ohne jede Schonung, weder für das Publikum, noch für die Schauspieler, noch für sich selbst:

Vor- statt Ratschlag

Peter Turrini hat immer in der Gegenwart gelebt, immer kommentiert und beschrieben, was zu einer Zeit gerade brisant war, was ihn bewegt und umgetrieben hat. Heute schreibt er: "Die aktuellste Ausgabe des Menschen ist das autonome Monster, Selbstdarsteller in einem Einpersonenstück voller Sehnsucht nach dem Anderen und voller Angst vor dem Anderen und voller Abwehr gegenüber allem, was den eigenen Vorstellungen nicht entspricht." Aber - und auch das zeichnet den Schriftsteller und vor allem den engagierten Menschen Peter Turrini aus - er gibt in "Wie verdächtig ist der Mensch" keinen Rat, sondern er macht einen Vorschlag:

Die Menschen flüchten aber auch, wie Peter Turrini in diesem Text sehr zu Recht schreibt, in die Kunst, in Veranstaltungen.