"Pasolini Roma"-Ausstellung in Berlin

Pier Paolo Pasolini hat Gedichte geschrieben, er war Drehbuchautor, Romanschriftsteller und ein bahnbrechender Filmregisseur. Trotzdem erinnern sich viele heute vor allem daran, dass er homosexuell war, dass seine Ermordung 1975 nie aufgeklärt wurde und dass sein letzter Film "Die 120 Tage von Sodom" auch noch Jahre nach Pasolinis Tod mit Aufführungsverboten belegt wurde. Im Martin-Gropius-Bau in Berlin werden in einer umfassenden Dokumentation über Leben und Werk viele unbekannte Facetten des Künstlers gezeigt. Nach Barcelona, Paris und Rom ist Berlin die vierte Station der Ausstellung unter dem Titel "Pasolini Roma".

Morgenjournal, 12.9.2014

Aus Berlin,

Der Schauspieler Ninetto Davoli, der in neun Pasolini-Filmen mitgespielt hat und zuerst der jugendliche Liebhaber und dann der Lebensfreund des Regisseurs war, sagt, Pasolini sei geliebt und gehasst worden. "Wenn Pier Paulo eine Idee gehabt hat, dann hat er sie durchgesetzt, gegen alle Widerstände. Er hat sich durch nichts aufhalten lassen."

25 Jahre in Rom

Die Ausstellung in Berlin konzentriert auf die 25 Jahre, die Pasolini in Rom verbracht hat. Von 1950 bis zu seiner Ermordung 1975 am Strand von Ostia bei Rom. Die Schau ist chronologisch angelegt und sehr spannend dokumentiert. Mit Fotos, Briefen, Tagebuchauszügen, Manuskripten, Zeichnungen und sehr gut ausgewählten Filmausschnitten. Pasolini wird nicht bewertet oder erklärt, die Besucher sind aufgefordert, sich die Gedankenwelt des Multikünstlers selbst zu erschließen.

Lange bevor Pasolini seinen ersten Film gedreht hat, war er ein in römischen Intellektuellenkreisen hoch angesehener Dichter, Denker und Essayist. "Pasolini war schon ein großer Intellektueller, bevor er ein Filmemacher geworden ist. Ihm ist es immer um den Wettstreit der Ideen gegangen. Die Mittel dazu waren ihm egal. Das konnte ein Roman sein, ein Film, ein Gedicht oder ein Zeitungsartikel", sagt der Pasolini-Experte Jordi Balló, einer der Kuratoren der Ausstellung.

Vorstadt als Basis für Analysen

Pasolini fühlt sich von Anfang an zu den Milieus der die römischen Vorstädte, Armen- und Arbeiterviertel hingezogen. Er erlebt die Menschen dort als vital und unverstellt. Was er dort erlebt, ist die Basis für viele seiner späteren sozialkritischen Analysen. Sein erster Roman "Ragazzi di Vita" handelt von jugendlichen Kleinkriminellen in der römischen Vorstadt. Auch sein erster Film "Accattone - Wer nie sein Brot mit Tränen aß" taucht in das Milieu der Diebe, Betrüger und Prostituierten ein. Der Film wird ein Skandal. Wie fast alles, was Pasolini macht.

Ungeklärter Tod eines Staatsfeinds

Er war ein offen homosexuell lebender Kommunist, der sich geweigert hat seine Neigungen und Ideen zu verheimlichen. Das hat ihn zum Staatsfeind gemacht. Und zum Helden bei seinen intellektuellen Freunden. Die waren alle fasziniert, dass er sich so gar nicht aufhalten hat lassen.

Sein gewaltsamer Tod im November 1975 ist ein großer Schock für seine Freunde. Pasolini wird am Stand von Ostia gefunden, mehrfach mit seinem eigenen Auto überfahren. Zuerst heißt es, ein Mord im Strichermilieu, bald gibt es Theorien über eine Verschwörung und einen Auftragsmord. Für die Kuratoren der Ausstellung und für Pasolinis Freund Ninetto Davoli ist das Rätsel bis heute nicht gelöst:

"Er ist wie immer nach dem Essen los und wollte noch eine Runde drehen. Ich weiß nicht, was passiert ist. Ich glaube es war ein ganz unglücklicher, zufälliger und sinnloser Tod. Und weil die Menschen, die Pier Paulo so geliebt haben, das nicht ertragen können, wollen sie an eine politische Verschwörung glauben. Ich glaube das nicht."

Die Ausstellung gibt keine Antwort. Sie entlässt den Zuschauer mit Pasolinis letztem, verstörenden Film "Saló oder die 120 Tage von Sodom", einem nicht vollendetem Roman und mit dem Gefühl, dass dieser streitbare Intellektuelle noch sehr viel zu geben und sagen gehabt hätte.

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Martin-Gropius-Bau - Pasolini Roma
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