Artenschutz für schräge Vögel

Die "Café Sonntag"-Glosse von Georg Biron

Als junger Dichter ... da wollte ich unbedingt ein schräger Vogel sein ... mit einem zerzausten Federkleid vielleicht und einem windschiefen Nest in einem mächtigen tropischen Baum ... das Hirn in Schräglage ... ja ... aber das Herz am rechten Fleck - und das Glück nur einen Flügelschlag entfernt.

Das war der Plan damals ... denn alle, die ich bewundert habe, waren schräge Vögel, nicht ganz in der Spur, leicht aus dem Ruder gelaufen, aber einzigartig ... und interessant und niemals langweilig und immer ein bisschen auch eine Provokation für die anderen ... die ich die Pinguine nenne, weil die so gar nix von einem schrägen Vogel an sich haben in ihrer Uniform und in ihren gleichartigen ungelenken Bewegungen.

Und die Pinguine haben die schrägen Vögel bewundert, sie haben ihren Liedern zugehört, haben ihre Bücher gelesen, ihre Kunstwerke bestaunt, haben sich angehört, was sie zu sagen hatten. Weil schräge Vögel nicht nur auf dem Boden herumwatscheln, sondern fliegen können und die Welt von oben ... aus der schrägen Vogelperspektive eben ... sehen. Und manchmal machen sie sogar einen Sturzflug und riskieren einen Tauchgang unter Wasser, bevor sie wieder am Ufer stehen und sich die Tropfen aus den Federn schütteln und bei einem Drink an der Bar lautstark und krächzend erzählen, was sie gesehen haben ... dort oben in der Luft und unten im Wasser.

Der Alfred Komarek ... der war für mich schon immer so ein bewundernswerter schräger Vogel. Ich weiß noch, dass ich als kleiner Soldat beim Bundesheer immer darauf gewartet habe, dass im Radio die Sendung mit dem Komarek kommt. Wir alle haben darauf gewartet, die ganze Kompanie. Und das war nicht nur in der Kaserne so. Wir waren zum Beispiel auf Übung im Waldviertel, ein Radioapparat war dabei, und wenn die Sendung mit dem Komarek gekommen ist, dann war für ein paar Minuten ... Frieden. Die komplette Waffenruhe. Vom Offizier über den Unteroffizier bis zum kleinen Soldaten lauschten alle mit einem glücklichen Lächeln im Gesicht den bunten Texten dieses schrägen Vogels.

Aber mittlerweile sind die Zeiten schwer geworden für schräge Vögel. Auch die Pinguine wollen nichts mehr von ihnen wissen, sie sind mit ihrer engen Sichtweise dermaßen beschäftigt, dass sie die schrägen Vögel nur noch als Staatsfeinde begreifen können, als böse Unruhestifter, als Gefahr für die vermeintliche Geborgenheit in der eigenen Biedermeierei. Und es ist schon kurios, dass sich jetzt ausgerechnet ein schräger Vogel wie der Komarek in seinem neuen Buch mit schrägen Vögeln beschäftigt und bedauert, dass es immer weniger davon gibt.

"Sie nisten im Schweigen der Schwätzer", schreibt der Komarek. "Unter den Dächern der Unbehausten, hinter den Regeln der Vernunft, über den Niederungen des Größenwahns, in Wissenslücken, Budgetlöchern und in der Höhle des Löwen."

Und ich möchte hinzufügen: Wir brauchen sie, die schrägen Vögel ... damit wir das Hirn in Schräglage tragen können ... und das Herz am rechten Fleck.