Kritik an deutschem Nulldefizit
Dass die deutsche Regierung ein Null-Defizit anstrebt, ist für Wirtschaftswissenschaftler der falsche Weg und ein fatales Signal. Ohne mehr Investitionen werde die deutsche und damit auch die europäische Wirtschaft stagnieren, sagt der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Marcel Fratzscher. Er würde für zusätzliche Investition ein Minus von bis zu zehn Milliarden Euro in Kauf nehmen.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 14.10.2014
Zu wenige Investitionen
In Deutschland herrsche ein Gefühl der Euphorie, die Wirtschaft boome, man habe alles richtig gemacht, auch während der Krise, sagt der Wirtschaftsforscher Marcel Fratzscher. Das sei aber nicht richtig, für ihn zeigt sich, "dass die Lage alles andere als hervorragend ist." Es stimme zwar, dass die Staatsfinanzen solide sind, die Betriebe ordentlich exportieren und viel Deutsche haben einen Job. Aber es gebe immer auch eine Kehrseite. So seien diese Jobs oft Teilzeit oder schlecht bezahlt, die Wirtschaft wachse zu wenig, die Reallöhne seien gesunken und die Armutsquote gestiegen. Für Marcel Fatzscher ist der Grund für diese negative Kehrseite, dass es zu wenige Investitionen gebe. Die deutsche Regierung wolle das aber nicht ändern, sagt der Wirtschaftswissenschafter, weil ihr das Null-Defizit wichtiger sei als Investitionen und Investitions-Anreize. Das sei das "falsche Signal". Marcel Fratzscher befürchtet, dass die Bundes-Regierung von ihrem Ziel des Null-Defizits nicht mehr abzubringen ist, zu sehr habe sie sich darauf festgelegt - ein Fehler, weil die Zahl der Arbeitslosen nach wie vor steige und zu wenig produziert werde.
Ein überschaubares Defizit bis zu zehn Milliarden Euro wäre vertretbar, dieses Minus würde auch die europäische Schuldenbremse erlauben. "Damit könnte man sehr viel im Bereich der öffentlichen Investitionen tätigen, für Infrastruktur und Bildung. Marcel Fratzscher hofft fast, zumindest indirekt, dass die deutsche Regierung von ihrer schwarzen Null abrückt und auf Pump mehr investiert. Das gelte nicht nur für Deutschland, sondern etwa auch für Österreich, da gebe es viele Parallelen. Der Wirtschaftswissenschafter sagt, ohne verstärkte Investitionen drohe Deutschland und der Europäische Union Stagnation, also wirtschaftlicher Stillstand.