"Plötzlich Gigolo": Woody Allen als Zuhälter

Woody Allen selbst tritt nur noch selten vor die Kamera und wenn, dann ohnehin nur in seinen eigenen Filmen. Jetzt aber hat er für den US-amerikanischen Regisseur und Schauspieler John Turturro eine Ausnahme gemacht. "Plötzlich Gigolo" heißt der Film, in dem Woody Allen eine Art Zuhälter spielt, der das große Geschäft wittert.

Morgenjournal, 5.11.2014

Das Leben ist voller Überraschungen, und so kann ein Besuch beim Arzt neue berufliche Perspektiven ergeben. Die Frau Doktor hätte nämlich gerne eine Menage á trois, und ihr von Woody Allen gespielter Patient, ein jüdischer Buchhändler in Brooklyn, hat auch schon eine Idee: sein Freund und Mitarbeiter Fioravante (John Turturro), ein Gelegenheitsjobber, wäre der ideale Mann. Doch der ziert sich anfänglich.

Wahre Intimität

Der bankrotte Buchhändler als Zuhälter und sein Gehilfe als Anschaffer. Regisseur und Drehbuchautor John Turturro lässt unvermuteten Verwirrungen ihren allzu menschlichen Lauf. Kinoklischees, in denen Sex zur routinierten Selbstverständlichkeit und zur Pose eitler Selbstdarstellung wird, nimmt Turturro mit Sensibilität und Liebenswürdigkeit auseinander. Wahre Intimität herzustellen, sei nämlich gar nicht so leicht, so Turturro.

Die Witwe des Rabbi

Turturro bevölkert seinen Film mit jenem skurril-sympathischen Personal, wie man es von Woody Allen selbst kennt: die vereinsamte Witwe eines jüdischen Rabbis, die getröstet werden muss, hier wird der Gigolo auf ganz andere Weise amourös aktiv, ein eifersüchtiger jüdischer Nachbarschaftspolizist, der ebenfalls ein Auge auf die Frau geworfen hat, schließlich die gute Freundin der Frau Doktor, die plötzlich zur Konkurrentin wird. Manche Textzeile drängt sich als Woody Allen-Original geradezu auf: „Hast du etwas Drogen genommen?“ fragt Fioravante. „Nichts ausser mein Zoloft“, so die Antwort. Ein Antidepressivum also. Woody allen in einem Woody Allen-Film, der nicht von Woody Allen stammt.

Seitenhiebe auf jüdische Rituale

Alles ist hier auf bewußt altmodisch getrimmt und mit etwas zu sanfter Ironie vorgetragen. Der Zuhälter ein linkischer Amateur, aber durchaus erfolgreich, die Fassade des Geldes keine Mauer, die vor wahren Gefühlen schützen kann, kleine Seitenhiebe auf streng jüdische Rituale und ganz beiläufig beschwört Turturro noch die Vorteile multikulturellen Zusammenlebens. Nichts was man nicht schon einmal gesehen hätte, aber auch nichts, was man sich nicht immer wieder mal gerne ansehen würde.